03 Arthur und die Stadt ohne Namen
kommt von dem guten Dünger, der unter dem Park begraben liegt.«
Ihre Antworten zeigten mir, dass der größte Groll offenbar verflogen war. Unser Bus erreichte die Endhaltestelle an der Waverley Station, Edinburghs Hauptbahnhof, der, wie der Park, in der Mulde zwischen der Altstadt und der Neustadt lag. Nachdem wir ausgestiegen waren, zog ich den Stadtplan hervor, den ich mir zu Hause aus dem Internet ausgedruckt hatte.
Craig Campbells Laden befand sich in der Candlemaker Row. Um dorthin zu gelangen, mussten wir den Hügel zur Altstadt hoch, der vor uns aufragte und jetzt deutlich höher schien als zuvor vom Bus aus.
Obwohl die Sonne schien, war es bitterkalt. Wir fischten unsere Handschuhe aus den Taschen und machten uns auf den Weg in die Altstadt. Eine kopfsteingepflasterte Straße führte direkt gegenüber nach oben. Der Anstieg war ziemlich steil, und ich war froh, als wir endlich auf der High Street standen, die ihrem Namen mehr als gerecht wurde. Sie ist ein Teil der Royal Mile, einer durchgehenden Straße, welche Edinburgh Castle mit dem königlichen Palast Holyrood House verbindet. Entlang dieser Strecke reiht sich eine Sehenswürdigkeit an die andere, und wie alle touristischen Ziele beherbergt auch die High Street ein Sammelsurium von Andenkenläden, Schnellrestaurants und Kaffeehausketten.
Um diese Jahreszeit hielt sich die Zahl der Besucher in Grenzen. Während wir die High Street entlangliefen, spürte ich die stumme Botschaft der Häuser, die seit Jahrhunderten diese Straßen säumten. Sie lautete: »Ihr seid hier nicht willkommen.« In den schmalen Durchgängen zwischen den Gebäuden glaubte ich dunkle Figuren wahrzunehmen. Wahrscheinlich waren es nur Obdachlose, die dort Zuflucht vor dem kalten Wind suchten. Und doch lief mir ein Schauer über den Rücken.
Wir bogen nach rechts ab und folgten der leicht ansteigenden Fußgängerzone, bis wir eine größere Kreuzung erreichten. Nach links fiel die Straße wieder ab. Vorbei an der gewaltigen Nationalbibliothek von Schottland, gingen wir bis zur nächsten Straßenkreuzung, wo wir scharf rechts abbogen. Jetzt standen wir in der Candlemaker Row, der Gasse der Kerzenmacher.
Auf der anderen Straßenseite führte ein Weg zwischen zwei Häusern hindurch. Ich wusste, was dahinterlag. »Das sollten wir uns vorher noch ansehen«, sagte ich zu Larissa.
Wir überquerten die Straße und folgten dem Durchgang zu einem geöffneten schmiedeeisernen Tor und weiter zu einer gedrungenen Kirche. Daneben und dahinter erstreckte sich ein abschüssiger Friedhof, dessen Wege und Grasflächen noch von einer dünnen Schnee- und Eisschicht bedeckt wurden. Er war nahezu menschenleer. Nur vor der Mauer auf der gegenüberliegenden Seite ging langsam ein Mann mit einem Gehstock entlang. Er trug, trotz der Kälte, lediglich einen Hut und keinen Mantel, was mich ein wenig überraschte. Andererseits sollen die Schotten ja ein abgehärtetes Volk sein. Vielleicht machte ihm die frostige Temperatur also nicht viel aus.
»Das ist Greyfriars Kirkyard, der berüchtigtste Friedhof von Edinburgh. Hier soll es heute noch Geister geben«, erklärte ich.
Larissa sah mich mitleidig an. »Glaubst du das wirklich?«
»Das hat nichts mit Glauben zu tun. Angeblich existieren jede Menge Beweise dafür, dass es hier spukt.«
Larissa blickte sich um. Aus den Grasflächen ragten ungeordnet kleine und große Grabsteine auf, denen man ihr Alter ansah. Manche von ihnen machten einen ziemlich windschiefen Eindruck. Andere lagen umgekippt auf dem Boden, als habe sie ein Riese achtlos umgeworfen.
»Auf mich wirkt das nicht gerade gespenstisch«, sagte sie. »Eher etwas ungepflegt und ungemütlich.«
Ich musste ihr recht geben. Auch ich hatte selten einen so unordentlichen Friedhof gesehen. Selbst die mächtigen Familiengräber am Rand, von denen manche so groß wie kleine Häuser waren, machten einen heruntergekommenen Eindruck.
Inzwischen war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden und wir verließen den Friedhof. Die Bürgersteige der Candlemaker Row lagen verlassen da; nur am unteren Ende standen ein paar junge Leute vor einem blau angemalten Haus herum.
Die Straße bestand, wie die meisten Gebäude der Altstadt, aus Sandsteinbauten, die im Laufe der Zeit eine hässliche grauschwarze Farbe angenommen hatten. Lediglich die im Erdgeschoss vorgesetzten Ladenfronten aus Holz lockerten mit ihren grellen Bemalungen das Einerlei etwas auf. Babyblau wechselte sich mit Topasviolett ab, Rubinrot
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