03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Sie drückte jedem von uns die Hand. »Es ist ein wenig eng hier«, entschuldigte sie sich. »Dafür geht es aber in die Höhe. Am besten zeige ich euch sofort eure Zimmer, damit ihr eure Koffer loswerdet.«
Sie stieg uns voraus die Treppe hinauf in den dritten Stock. Die Stufen waren so schmal, dass mein Fuß kaum zur Hälfte daraufpasste und ich mit dem Koffer aufpassen musste, nicht ins Straucheln zu geraten. Oben warteten zwei kleine Räume auf uns. Die Ausstattung bestand lediglich aus einem Bett, einer Kommode, einem Stuhl und einem winzigen Tischchen unter dem Fenster.
»Wir vermieten die Zimmer üblicherweise für Übernachtungen mit Frühstück«, erklärte Caitlin. »Unsere Gäste halten sich außer zum Schlafen fast nie hier auf. Deshalb ist alles ein wenig schlicht.«
»Es ist doch perfekt«, sagte Larissa. »Mehr Platz brauchen wir nicht. Und wir werden sowieso den ganzen Tag unterwegs sein.«
»Da vorne ist das Bad.« Sie deutete auf eine dritte Tür. »Ihr könnt in Ruhe auspacken und euch frisch machen. Wenn ihr fertig seid, kommt ihr einfach runter. Gleich gibt’s auch Abendessen.«
Mit diesen Worten verschwand sie die Treppe hinunter, während Larissa und ich unsere Zimmer in Beschlag nahmen. Nachdem ich meine Klamotten in den Schubladen verstaut hatte, trug ich Zahnbürste und Handtuch ins Badezimmer, das erstaunlich geräumig war. Dann klopfte ich bei Larissa an.
Sie öffnete die Tür, das Handy am Ohr, und winkte mich rein. »Ich rufe gerade im Krankenhaus an«, sagte sie. Ich hockte mich auf den Stuhl.
Ungeduldig trat sie von einem Fuß auf den anderen, bis endlich jemand abhob. Sie hatte ihren Pullover gegen ein Sweatshirt getauscht, das eng anlag und ihre Figur gut zur Geltung brachte. Irgendwann im letzten Jahr war sie vom Mädchen zur jungen Frau geworden und ich hatte kaum etwas davon mitbekommen. Diese Gedanken und ihr Anblick schafften das, was die Heizung seit unserem Eintreffen hier noch nicht hinbekommen hatte: Mir wurde ganz warm. Bevor ich diesem Gefühl weiter nachgehen konnte, meldete sich jemand am anderen Ende.
»Hier spricht Larissa Lackmann«, sagte sie. »Gibt es etwas Neues von meinem Opa?«
Sie lauschte kurz. Ihre Miene verfinsterte sich. »Ungewöhnliche Hirnaktivität? Was wollen Sie damit sagen?«
Sie bemerkte meinen fragenden Gesichtsausdruck und stellte das Handy auf Lautsprecher um.
»… können das selbst nicht erklären«, erklang die Stimme des Arztes, mit dem wir gesprochen hatten. »Die Aktivität entspricht dem Wachzustand, aber Ihr Großvater befindet sich nach wie vor im Koma.«
»Und ist das schlecht oder gut?«
»Es gibt keinen Anlass zur Sorge. Wir werden einen Spezialisten hinzuziehen. Morgen wissen wir mehr.«
Larissa bedankte sich für die Informationen und legte auf. Gleich darauf klingelte das Handy. Sie nahm das Gespräch an.
»Larissa hier.«
Eine kurze Pause. »Ja, wir sind jetzt bei den Campbells eingetroffen. Morgen beginnen wir mit der Suche.« Pause. »Ja, wir melden uns, wenn wir etwas finden.« Sie verabschiedete sich und drückte die Auflegen-Taste.
»Der Bibliothekar?«, fragte ich.
Sie verzog verächtlich den Mund. »Der tägliche Rapport. Damit er bloß nichts verpasst und uns gute Ratschläge geben kann.«
»Er meint es nicht böse«, sagte ich.
»Ist mir egal. Er nimmt uns einfach nicht ernst. Dann tue ich das umgekehrt auch nicht.«
»Vielleicht sollte ich dann beim nächsten Mal lieber mit ihm sprechen.«
»Was hoffst du denn mit deinem Schmusekurs zu erreichen? Meinst du, er erzählt dir mehr als mir?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Weiß nicht. Aber er hat Informationen, die wir nicht haben. Dafür bin ich auch bereit, mir seine Arroganz anzutun.«
Sie stieß einen undefinierbaren Laut aus. Mein Magen knurrte laut. »Wollen wir runtergehen? Ich habe einen Heißhunger wie selten.«
»Wahrscheinlich, weil du dich beim Anstarren deiner Fiona so verausgabt hast«, bemerkte sie.
»Das ist nicht meine ...«, begann ich, bevor ich ihr Grinsen wahrnahm. Ich hob resigniert die Hand. »Schon gut.« Insgeheim war ich froh, dass Larissa jetzt darüber lachen konnte.
Wir fanden Caitlin im Erdgeschoss in einer kleinen Küche, wo sie mit mehreren Töpfen auf dem Herd herumhantierte. Sie scheuchte uns in den Nebenraum, der als Esszimmer diente. Auf dem Tisch standen zwei Gläser Cola und ein Teller mit in Dreiecksform geschnittenen Toastscheiben, die mit Butter bestrichen waren.
»Für den schlimmsten Hunger«, sagte
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