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03 Arthur und die Stadt ohne Namen

03 Arthur und die Stadt ohne Namen

Titel: 03 Arthur und die Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruebenstrunk Gerd
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keine Teestuben.«
    Das war mir auch schon aufgefallen. »Wahrscheinlich ist das mit den teetrinkenden Briten nur ein Klischee.«
    »Schade. Ich hatte gehofft, endlich einmal einen echten Five o’Clock Tea probieren zu können. Cappuccino und Latte macchiato kann ich auch zu Hause trinken.«
    Auf der linken Straßenseite lag ein tempelähnliches Gebäude mit sechs mächtigen Steinsäulen davor. Wir blieben stehen, um es näher zu betrachten.
    »Nice one, innit?« , erklang eine Stimme hinter uns.
    Wir drehten uns um und sahen zwei Jungen, deren Alter ich schwer schätzen konnte. Ihre Erscheinung wirkte wie die von Jugendlichen, doch ihre Gesichter hatten etwas merkwürdig Altersloses an sich. Ihre Kleidung hatte schon bessere Tage gesehen. Trotz der Kälte trugen sie keine dicken Winterjacken, sondern lediglich fadenscheinige Jacketts und zerschlissene Pullover. Ihre fleckigen weiten Hosen endeten mindestens eine Handbreit über den abgeschabten Lederschuhen.
    Sie grinsten uns an. Der Größere der beiden hatte ein hageres Gesicht mit hervorstehenden Backenknochen und einer lang gezogenen Nase. Seine Lippen waren voll, und seine Brauen schwangen sich in hohem Bogen über die Augen, von denen das eine deutlich größer als das andere war. Das Gesicht seines Begleiters war dagegen rundlich und blass, mit wässrig-blauen Augen und übersät mit Sommersprossen.
    »Das ist die Surgeon’s Hall«, ergänzte er. »Hier haben sich früher die Chirurgen getroffen, für die Edinburgh berühmt ist.«
    »Eher berüchtigt«, grinste sein Kumpel. »Denn sie haben die Grabräuber bezahlt.«
    »Wo bleiben eigentlich unsere Manieren?« Der Kleine versetzte seinem Nebenmann einen Stoß in die Seite. »Gentlemen stellen sich doch vor.«
    »Aber natürlich!« Sein Freund schlug sich mit der Hand vor die Stirn und machte dann eine kleine Verbeugung. »William Hare, at yer service.«
    Der Kleine tat es ihm nach: »William Burke. Nice to meet ye.«
    »William und William. Einfach zu merken, oder?«, strahlte Hare.
    Larissa und ich sahen uns fragend an. Was wollten die beiden von uns? Waren es wirklich nur zwei zufällig vorbeikommende Passanten oder hatten sie auf uns gewartet? Unsere bisherigen Reiseerlebnisse hatten uns misstrauisch gemacht. Insbesondere ihre Kleidung kam mir merkwürdig vor. Sie wirkten, als stammten sie nicht aus unserer Zeit. Sollten sie vielleicht unsere Helfer sein? Ich verwarf den Gedanken wieder. Bislang waren unsere Unterstützer allesamt erwachsen gewesen und hatten sich schnell zu erkennen gegeben.
    «Was war das mit den Grabräubern?«, fragte Larissa, bevor ich etwas sagen konnte.
    »Die Resurrectionists «, sagte Burke. »Die Chirurgen brauchten Leichen, um daran zu üben. Aber es gab nicht genug Tote.«
    »In Edinburgh durften sie nur die Leichen von zum Tode Verurteilten oder verstorbenen Landstreichern aufschneiden«, ergänzte Hare. »Und das reichte bei Weitem nicht aus.«
    »Also haben sie Leute dafür bezahlt, frisch bestattete Tote wieder auszugraben und ihnen zu bringen«, fuhr Burke fort. »Das war ein so einträgliches Geschäft, dass auf vielen Friedhöfen Wachtürme aufgestellt wurden, um die Toten vor den Grabräubern zu schützen.«
    Die beiden sprachen mit einem so starken schottischen Akzent, dass ich mich enorm konzentrieren musste, um sie zu verstehen. Außerdem fragte ich mich nach wie vor, was sie von uns wollten und warum sie uns einfach so auf der Straße angesprochen hatten. Waren sie vielleicht auf eine Belohnung für ihre kleine Geschichte aus?
    Also zog ich eine Ein-Pfund-Münze aus der Tasche und hielt sie ihnen hin. »Vielen Dank. Das war sehr interessant.«
    Burke, Hare und Larissa starrten mich an. Ups – da war ich wohl ins Fettnäpfchen getreten.
    »Wir wollen kein Geld von euch«, sagte Hare mit beleidigter Miene.
    »Wir dachten nur, ihr seid neu in der Stadt und wir helfen euch ein wenig«, ergänzte Burke.
    Unter drei strafenden Blicken steckte ich das Geldstück wieder ein. »Sorry.«
    »Kein Problem.« Hare hatte erneut sein Grinsen aufgesetzt. »Wenn ihr Zeit habt, erzählen wir euch noch mehr. Wir kennen die besten Gruselgeschichten aus Edinburgh.«
    »Kommt doch einfach mit.« Burke griff nach Larissas Rollkoffer. »Wir wohnen nicht weit von hier.«
    Nun endlich gingen auch bei Larissa die Alarmglocken an. »Halt, halt!«, rief sie und wand Burke den Koffergriff aus den Händen. »Wir können jetzt nicht mit euch gehen.«
    »Warum nicht?«, fragte Hare enttäuscht.

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