03 Arthur und die Stadt ohne Namen
es zwar nicht so krass formuliert, aber ich gab Larissa in jedem Punkt recht. Warum konnten die Erwachsenen nicht einfach akzeptieren, dass es nicht für alles und jedes eine eindeutige Erklärung gab? Gerade diejenigen, die sich mit den Vergessenen Büchern beschäftigten, mussten das doch wissen.
Campbell war, ebenso wie der Bibliothekar, ein typisches Beispiel für diese Ignoranz. Larissa war ihm mit ihrem Ausbruch offenbar ordentlich auf die Zehen getreten. Sein Gesicht hatte sich während ihrer Worte kräftig gerötet.
»Genau wie dein Großvater!«, schimpfte er los. »Der war auch so ein Dickkopf und wollte sich nie etwas sagen lassen. Wenn ich …«
»Was heißt war ?«, unterbrach ihn Larissa mit lauter Stimme. Jetzt wurde sie richtig böse. »Mein Opa lebt noch. Bitte sprechen Sie von ihm nicht in der Vergangenheitsform!«
Larissa und Campbell machten den Eindruck, als wollten sie gleich aufeinander losgehen. Caitlin, die aus der Küche wieder ins Zimmer kam, war sichtlich betroffen von dem Gewitter, das sich gerade entlud. »Bitte, bitte«, beschwichtigte sie. »Wir wollen doch alle dasselbe. Muss dieser Streit denn sein?«
Ich legte Larissa meine Hand auf den Arm, um sie ein wenig zu beruhigen, aber sie schüttelte mich ab. »Es wird Zeit, dass bestimmte Dinge einmal offen ausgesprochen werden. Ihr Mann hält uns für Lügner und zieht auch noch meinen Opa mit rein! Dann soll er auch wissen, was das für uns bedeutet!«
»Wenn Ihnen das lieber ist, können wir in ein Hotel ziehen«, sagte ich. »Dann müssen wir solche Auseinandersetzungen nicht mehr führen.«
»Das kommt nicht infrage.« Caitlins Ton ließ keinen Widerspruch zu. »Du wirst dich jetzt entschuldigen, Craig. Und dann will ich nichts mehr davon hören.«
Campbell war von den klaren Worten seiner Frau offenbar ebenso überrascht wie wir. »Ich habe nur …«
»Nichts da«, sagte Caitlin. »Du entschuldigst dich jetzt und dann vertragt ihr euch wieder.«
Campbell brummte etwas vor sich hin. Dann holte er tief Luft. »Tut mir leid, was ich eben gesagt habe. Das war falsch.« Er hielt Larissa seine Hand über den Tisch hin.
Ich bezweifelte, ob er es wirklich ernst meinte. Aber es war immerhin ein Anfang. Was würde Larissa tun?
Sie war immer noch überaus erregt. Ich zählte die Sekunden. Wie lange würde Campbell seine Hand ausgestreckt lassen? Der Augenblick zog sich quälend in die Länge.
»Na schön«, sagte Larissa schließlich. Sie ergriff seine Hand und schüttelte sie kurz. »Und jetzt würde ich gerne ins Bett gehen, wenn ihr nichts dagegen habt.«
Es ging bereits auf elf Uhr zu. Auch ich spürte, wie mir die Müdigkeit in den Knochen steckte. Caitlin versprach, uns am nächsten Morgen zeitig zu wecken, denn wir wollten so früh wie möglich mit unseren Nachforschungen beginnen.
Kaum lag ich im Bett, fielen mir die Augen zu. Aber mein Schlaf war unruhig. Ich träumte von Fiona, die mit Burke und Hare um mich herumtanzte, während Larissa weinend danebensaß. Ich träumte von Campbell, der gemeinsam mit dem Bibliothekar im Oberdeck eines Doppeldeckers durch Edinburgh fuhr, und beide lachten hämisch. Und ich träumte vom Bücherwurm, der wieder aus dem Koma erwacht war. Wir irrten in einem dichten Nebelfeld umher. Immer, wenn ich seine Umrisse erkannte und zu ihm wollte, wurde er sofort von den weißen Schwaden verschluckt. Wie durch einen langen Tunnel hallte seine Stimme zu mir herüber: »Hinter dir, Arthur! Hinter dir!« Ich drehte mich um, konnte aber nichts entdecken. Und dann war auch der Bücherwurm verschwunden und ich war im Nebel allein.
König der Dichter
Am nächsten Morgen war es grau und regnerisch. Caitlin hatte uns, wie versprochen, um sieben Uhr geweckt. »Willst du ein schottisches Frühstück oder einfach nur Rührei?«, fragte sie mich. Dankbar für diese Alternative, entschied ich mich fürs Ei. Ich wusste zwar nicht, woraus ein schottisches Frühstück bestand, aber nach meiner Erfahrung mit dem Haggis verzichtete ich lieber darauf. Als wir in die Küche kamen, saß Campbell bereits am Tisch. Er legte die Zeitung, in der er gelesen hatte, weg und begrüßte uns. Nicht gerade überaus freundlich, aber zumindest ohne den aggressiven Ton von gestern Abend. Auch Larissa wirkte deutlich entspannter.
»Caitlin und ich sind heute leider den ganzen Tag beschäftigt«, sagte er. »Ihr werdet also allein durch die Stadt ziehen müssen.«
»Aber morgen habe ich Zeit und werde euch gern begleiten,
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