03 Arthur und die Stadt ohne Namen
holte ihr Handy hervor und startete Google. Zwei Minuten später sahen wir diverse Bilder des Mannes vor uns, der uns heute Morgen auf dem Burgfelsen angesprochen hatte.
Zum Glück kam in diesem Augenblick ein Kunde in den Laden, der nach einem bestimmten Buch suchte und um den sich Campbell kümmern musste. Wir hatten also ein paar Minuten für uns.
»McGonagall ist der Beweis dafür, dass unsere Helfer aus Fleisch und Blut sind – oder zumindest waren«, konstatierte Larissa.
»Das würde ja bedeuten, dass sie unsterblich sind«, sagte ich und bekam eine Gänsehaut. In der Welt der Vergessenen Bücher war vieles möglich, das wusste ich, aber dass uns Verstorbene begegneten, das war doch eine ganz andere Nummer.
»Ich glaube nicht an Unsterblichkeit«, erwiderte Larissa. »Und ich glaube auch nicht, dass unsere Helfer ewig leben. Es muss eine andere Erklärung geben.«
»Aber welche?«, grübelte ich.
»Gehen wir die Sache doch mal logisch an: Wir treffen auf einen Typen, der sich William McGonagall nennt. Er sieht aus wie ein Dichter, der vor über hundert Jahren gestorben ist. Er trägt uns grauenhafte Gedichte vor. Was schließen wir daraus?«
»Dass es William McGonagall ist«, sagte ich.
»Aber das ist unmöglich! Ich vermute, dahinter steckt jemand, der sich für McGonagall ausgibt.«
»Aber warum? Was hätte er davon?«
Campbell, der seinen Kunden abgefertigt hatte, unterbrach unsere Diskussion. Er hockte sich zu uns an den Tisch.
»Und, habt ihr heute etwas herausgefunden?«, fragte er.
»Nichts«, erwiderte ich. »Wir waren auf der Burg und sind die Royal Mile abgelaufen. Viel schlauer hat uns das nicht gemacht.«
»Sind Sie denn bei der Nationalbibliothek weitergekommen?«, fragte Larissa.
Er schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Mein Ansprechpartner dort ist krank und wird erst nächste Woche wieder zurück sein. Ich fürchte, wir müssen ohne ihn zurechtkommen.«
Ich hielt es auch nicht für sinnvoll, ohne konkreten Hinweis in eine Büchersammlung mit Millionen von Bänden zu gehen und mich auf meine Inspiration zu verlassen. In der Vergangenheit hatte sie nur bei sehr überschaubaren Bibliotheken funktioniert. Bei einer so großen Sammlung befürchtete ich, Tage dort zu verbringen, ohne etwas zu finden.
Ohnehin hatte ich das Gefühl, dass wir anderswo suchen mussten. »Wissen Sie, wo man eine Führung durch die unterirdischen Gewölbe buchen kann?«, fragte ich unseren Gastgeber.
»Es gibt Führungen durch Mary King’s Close und unter die South Bridge«, antwortete er, ohne zu zögern. »Beide sind immer gut ausgebucht. An welcher davon wollt ihr denn teilnehmen?«
»Ganz egal«, sagte ich. Wenn es stimmte, was uns McGonagall gesagt hatte, dann waren die unterirdischen Gänge sowieso miteinander verbunden. Es spielte also keine Rolle, wo wir einstiegen.
Er stand auf und ging zum Telefon. »Das werden wir gleich haben.« Er blätterte in einem Telefonbuch und wählte eine Nummer.
»Morgen früh um elf sind zwei Plätze für die South Bridge frei«, rief er uns nach einem kurzen Wortwechsel mit seinem Gesprächspartner am anderen Ende zu.
Ich sah Larissa an. Sie nickte. »Die nehmen wir.«
Campbell diktierte unsere Namen, bedankte sich und legte auf.
»Alles klar«, sagte er. »Ihr müsst dann morgen um elf am Mercat Cross sein. Von da aus geht die Tour los.«
Wir tranken unseren Tee aus. »Wohin jetzt?«, fragte ich Larissa.
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Warum seht ihr euch nicht mal die New Town an?«, schlug Campbell vor. Er blickte auf seine Armbanduhr. »In vier Stunden gibt es Abendessen. Die Zeit reicht noch für einen ersten Rundgang.«
Mir passte sein Vorschlag gut. Ich befürchtete, in der Altstadt über kurz oder lang auf Burke und Hare zu treffen, und das wollte ich tunlichst vermeiden. Larissa war allerdings nicht besonders begeistert von der Idee.
»Was sollen wir in der Neustadt schon finden? Alte Geheimnisse liegen meistens hinter alten Gemäuern.«
»Oh, dann seid ihr in der New Town ganz richtig«, lächelte Campbell. »In der Altstadt sind viele Häuser abgerissen oder von Feuern verwüstet worden. Es sieht zwar alles sehr alt aus, aber in der Neustadt gibt es eine Reihe von Bauwerken, die älter sind als hier.«
Das hatten wir nicht gewusst. Larissa nörgelte zwar noch ein wenig herum, machte aber auch keinen besseren Vorschlag. Also entschlossen wir uns, Campbells Tipp zu befolgen.
Als wir wieder auf die Straße traten, pfiff der
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