03 Arthur und die Stadt ohne Namen
ich.
Er lachte. »Ein Diplomatenausweis wirkt oft Wunder. Aber jetzt wollen wir euch erst mal in euer Quartier bringen. Ihr müsst ja hundemüde sein.«
Inzwischen war es beinahe fünf Uhr und die ersten Sonnenstrahlen zeigten sich am Himmel. Wir fuhren auf eine vierspurige Schnellstraße, die uns zunächst an den üblichen Bauwerken vorbeiführte, die in der Nähe eines Flughafens liegen: Lagerhäuser und Industriegebäude aus nacktem Beton oder Wellblech, eingezäunte Freiflächen und Speditionen und ab und zu ein paar Felder oder Baumreihen dazwischen.
Als wir uns der Stadt näherten, tauchten rechts und links der Straße die ersten mehrstöckigen Wohnhäuser auf. Auch der Verkehr wurde dichter. Die Schnellstraße ging nahtlos in eine normale städtische Straße über. Wir kamen an einem großen Park vorbei und an Hochhäusern, in deren Glasfassaden sich die Strahlen der Sonne spiegelten. Immer wieder unterbrachen Freiflächen, über denen der Wind feine Staubwolken aufwirbelte, die Häuserreihen.
Inzwischen konnten wir nur noch Schritttempo fahren, denn die Fahrbahn war rettungslos verstopft. Wir näherten uns offenbar dem Stadtzentrum. Maurice bog in eine kleine Seitenstraße ein und parkte vor einem dreistöckigen Neubau.
In der Eingangstür erwartete uns eine Frau. »Sabah il-chair« , begrüßte sie uns mit einem freundlichen Lächeln. »Guten Morgen und willkommen in Sanaa.«
»Das ist meine Frau Zakiya«, stellte Maurice sie vor. »Wie ich sie kenne, wird sie für euch bereits ein prächtiges Frühstück vorbereitet haben.«
»Sind Sie Jemenitin?«, fragte Larissa, während wir ins Haus gingen.
»Ich sehe zwar so aus, aber ich bin in Frankreich geboren und aufgewachsen«, lachte sie. »Mein Vater ist Franzose, aber meine dunkle Hautfarbe habe ich von meiner Mutter, die aus Oman stammt. So bin ich zweisprachig erzogen worden, was kein Nachteil ist, wenn man hier arbeitet.«
Sie führte uns die Treppe hoch in den ersten Stock, wo zwei geräumige, weiß gestrichene Zimmer auf uns warteten. Daneben befand sich ein Bad. »Ihr wollt sicher erst mal duschen nach der langen Reise«, sagte Zakiya. »Und dann gibt es ein echtes jemenitisches Frühstück. Ich hoffe, es wird euch schmecken.«
Aus irgendeinem Grund legten unsere Gastgeber stets Wert darauf, uns mit den kulinarischen Gepflogenheiten ihres Landes vertraut zu machen. Zakiya bildete da keine Ausnahme. Ich tröstete mich damit, dass es nicht viel schlimmer als das schottische Haggis sein konnte.
Das Frühstück wurde in einem hellen, großen Raum serviert, in dessen Mitte ein wuchtiger Holztisch stand. In einem Korb lagen flache Weißbrotlaibe in Pizzagröße. An jedem Platz stand eine Steingutschale, die Zakiya mit einer Art Eintopf füllte. »Das ist Ful«, erklärte sie. »Es besteht aus Bohnen, Tomaten, Zwiebeln, Kardamom und Paprika und ist sehr nahrhaft.«
Das war zwar nicht gerade meine Idealvorstellung eines leckeren Frühstücks, aber nach dem langen Flug waren wir ausgehungert. Wir rissen uns große Stücke von dem Brot ab und leerten unsere Schalen in wenigen Minuten. Dann taten wir es Zakiya und Maurice nach und benutzten das Brot, um die Eintopfreste von den Wänden der Schale aufzunehmen.
Als zweiten Gang servierte Zakiya gehackte hart gekochte Eier mit Tomaten und Zwiebeln. Man schien hier gerne scharf zu würzen; schon der Eintopf war nicht ohne gewesen. Aus einer großen Karaffe goss ich mir immer wieder Wasser nach.
Schließlich war alles vertilgt. Wir hatten jeder eine Glastasse mit Shai, stark gesüßtem Tee, vor uns und lehnten uns behaglich zurück. Zakiya verschwand kurz aus dem Raum. Als sie zurückkehrte, hielt sie zwei kleine Schokoladenosterhasen in der Hand, die sie vor uns hinstellte.
»Frohe Ostern«, lächelte sie.
Ich war gerührt. Heute war Ostersonntag. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht, auch deswegen, weil auf der Fahrt vom Flughafen hierher das geschäftige Treiben in der Stadt und der viele Verkehr nicht an einen Feiertag erinnert hatten. Dann fiel mir wieder ein, dass in islamischen Ländern der Freitag der freie Tag ist. Außerdem besaß der christliche Festtag Ostern für Moslems keine Bedeutung.
»Danke«, freute sich Larissa. Wir rissen die Verpackung ab, zerbrachen die Schokolade auf einem Teller und bedienten uns alle zusammen daran.
»Ich habe ein paar Erkundigungen eingezogen«, sagte Maurice, nachdem auch der letzte Krümel der Hasen verputzt war. »Deine Eltern, Larissa, haben ihre
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