03 Arthur und die Stadt ohne Namen
verriegelt.«
Wenig später stieß Campbell zu uns. Der Bibliothekar war nicht bei ihm. Er hatte sich entschieden, in einem Hotel zu übernachten, was Larissa und mir ganz recht war.
Am nächsten Morgen begleitete uns Caitlin in die Stadt, um mit uns passende Garderobe für den Jemen einzukaufen. So lernten wir einige der großen Kaufhäuser Edinburghs von innen kennen. Anschließend aßen wir Kuchen in einem Café. Ich kaufte mir noch einen Reiseführer über den Jemen, ein kleines Wörterbuch, um zumindest ein paar alltägliche Ausdrücke auf Arabisch zu können, sowie als Reiseunterhaltung ein Taschenbuch mit Gedichten von William McGonagall. Larissa war währenddessen anderswo in der Stadt unterwegs, um, wie sie sagte, »ein paar wichtige Dinge« zu besorgen. Welche das waren, verriet sie nicht.
Bepackt mit unserer Auswahl, trafen wir am frühen Nachmittag in Campbells Buchladen ein, wo wir auch den Bibliothekar vorfanden. Er gab uns unsere Reisepässe zurück, in die ein UN-Visum gestempelt war, händigte uns unsere Flugscheine aus und schob uns zwei Stapel Banknoten über den Tisch.
»Das hier sind jemenitische Rial«, erklärte er. »Und das US-Dollar. Meistens kommt ihr mit den Dollars ganz gut rum, aber vielleicht braucht ihr die Rial fürs Landesinnere.«
Wir hatten uns gestern Abend übers Internet noch über die aktuelle Lage im Jemen schlaugemacht. Außerhalb der größeren Städte war das Reisen für Ausländer nicht sicher, warnte das deutsche Außenministerium. Beduinenstämme entführten gerne Touristen, um ein Lösegeld oder politische Zugeständnisse von der Zentralregierung zu erzwingen. Außerdem hieß es, islamistische Terrorgruppen hätten sich im Norden des Landes festgesetzt. Angeblich sollten die USA bereits über die Entsendung von Truppen nachdenken.
Wir steuerten also nicht gerade das beliebteste Reiseziel der Welt an. Selbst in Friedenszeiten war der Jemen nicht unbedingt jedermanns Sache. Der Bibliothekar diktierte uns eine Reihe von Namen und Telefonnummern, die wir notfalls anrufen konnten. »Mobiltelefone funktionieren im Jemen allerdings nur in den größeren Städten«, warnte er uns. »In der Wüste könnt ihr damit gar nichts anfangen.«
Wir schrieben gehorsam alles auf. Unser Ansprechpartner in Sanaa hieß Maurice le Chat und arbeitete dort im Auftrag der UN in einem Schulprojekt. Der Bibliothekar hatte mit ihm vereinbart, dass er uns am Flughafen abholen würde.
So verging der Nachmittag. Zum Abendessen kam der Bibliothekar mit zu den Campbells. Caitlin hatte auf unseren Wunsch hin Spaghetti mit Hackfleischsoße gemacht. Wer wusste schon, wie lange es dauern würde, bis wir wieder so etwas zu essen bekamen.
Das Gespräch bei Tisch verlief, gemessen an den Spannungen der letzten Tage, ausgesprochen harmonisch. Der Bibliothekar hielt sich mit Belehrungen zurück und Larissa hütete ihr spitzes Mundwerk.
Wir sprachen über unser Reiseziel, der Bibliothekar berichtete ein wenig über Prag und seine Geschichte, und wir erfuhren, dass Craig und Caitlin beide Kinder tschechischer Eltern waren, die in jungen Jahren nach Schottland ausgewandert waren. Ich vermutete, dass in dieser Vergangenheit auch der Schlüssel zu der Macht lag, die der Bibliothekar über Craig Campbell ausübte.
Schließlich fuhr der Bibliothekar in sein Hotel zurück und wir gingen zu Bett. Ich lag in dieser Nacht noch lange wach und fragte mich, was uns wohl in Arabien erwartete. Übermorgen war Ostern. Heute war Karfreitag, aber davon bekam man in Großbritannien nicht viel mit, denn es war kein offizieller Feiertag.
Ostern war bisher immer ein Tag gewesen, an dem der Bücherwurm, Larissa und ich lange geschlafen und anschließend ausgiebig gefrühstückt hatten. Zumeist lag an diesem Tag ein Hauch von Frühling in der Luft, und wir freuten uns auf die warme Jahreszeit, die vor uns lag.
Wärme bot unser Reiseziel genug. Nur den Osterfrieden der vergangenen Jahre würden wir wahrscheinlich vergeblich suchen. Ostern war für Moslems kein Feiertag, und für uns war es der erste Schritt auf der gefährlichsten Reise, die wir je angetreten hatten.
Ich war kurz versucht, meinen Eltern eine Nachricht auf die Mailbox zu sprechen, ließ es dann aber doch sein. Ich wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machten. Es reichte, wenn sie aus dem Urlaub zurückkamen und mich nicht zu Hause vorfanden. Denn ich zweifelte daran, ob wir das, was wir vorhatten, innerhalb einer Woche erledigen konnten. Allein die
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