03 Arthur und die Stadt ohne Namen
einen Stoffgürtel um den Bauch gebunden, in dem ein breiter Krummdolch, der Jambiya, in einer verzierten Scheide steckte. Um den Kopf hatten die Männer Tücher der unterschiedlichsten Art gewunden, die mal wie ein Turban, mal wie die typischen arabischen Kopfbedeckungen aussahen. Die meisten jungen Männer hingegen trugen Jeans und Hemden oder T-Shirts.
»Noch vor wenigen Jahren liefen fast alle Männer hier mit Gewehren oder Maschinenpistolen herum«, erklärte Zakiya. »Für die Beduinen gilt, dass ein Mann ohne Waffe kein Mann ist. Die Regierung hat vor einiger Zeit das Tragen von Schusswaffen in den großen Städten verboten. Draußen auf dem Land trefft ihr aber kaum jemanden ohne sein Gewehr oder zumindest einen Revolver an.«
Die Frauen, denen wir begegneten, waren durchweg in schwarze oder farbige Gewänder gekleidet, die sie komplett verhüllten. Bei manchen sah man nicht einmal die Augen, die hinter einem dünnen Schleier verborgen lagen.
»Die einfarbigen Gewänder nennt man Jilbab. Darüber trägt man entweder eine Niqab, die das Gesicht nahezu völlig verhüllt, oder eine Hijab, die ein größeres Blickfenster offen lässt.« Zakiya deutete auf eine Frau in einem bunten Gewand, das aussah wie eine Tischdecke. »Das ist eine Sitarah, ein großes, bunt bedrucktes Tuch, die einheimische Version der Jilbab.«
»Ist es nicht schlimm, dass alle Frauen hier so rumlaufen müssen?«, fragte Larissa.
»Du solltest kein vorschnelles Urteil fällen«, erwiderte Zakiya. »Frauen im Jemen haben mehr Rechte als beispielsweise in Saudi-Arabien. Sie können Auto fahren, sich ins Parlament wählen lassen oder hohe Posten annehmen. Und kein Gesetz schreibt das Tragen von Schleiern oder Ganzkörpergewändern vor.«
»Was nützt das Gesetz, wenn die Realität anders aussieht?«, fragte ich.
»Da hast du recht. Es erfordert Mut, als jemenitische Frau ohne Gesichtsverhüllung herumzulaufen, obwohl es einige tun. Aber die meisten halten sich an die Verschleierung, und viele auch ganz freiwillig.«
»Für mich klingt das trotzdem nach Unterdrückung der Frauen«, beharrte Larissa.
»Du darfst das nicht nach westlichen Maßstäben messen. Der Jemen ist nicht vergleichbar mit einem hoch entwickelten europäischen Land wie Deutschland oder Frankreich. Vor hundert Jahren war auch in Europa von der Gleichberechtigung der Frauen noch keine Rede. Und dann darfst du nicht vergessen, wer zu Hause das Kommando führt«, lachte sie. »Kleidungsvorschriften sagen nichts über tatsächliche Machtverhältnisse aus.«
Larissa war nicht überzeugt, aber sie wollte auch keine weitere Diskussion darüber führen und schwieg.
»Jetzt gehen wir erst mal zum Markt«, sagte Zakiya. »Das Reisebüro ist dort ganz in der Nähe.«
Schon bald tauchten wir in ein Labyrinth von kleinen und kleinsten Gässchen ein, in denen jede nur erdenkliche Ware angeboten wurde.
»Der Markt besteht aus vielen unterschiedlichen Suqs. Das sind Bereiche, wo nur ganz bestimmte Waren verkauft oder hergestellt werden. Es gibt Suqs für Hirse und für Brot, für Öl und Kaffee, für Wolle und Wasserpfeifen und viele mehr.«
Wie Höhlen erstreckten sich die einzelnen Suqs unter steinernen Torbögen. Im Suq el-Helbe, dem Gewürzmarkt, fanden wir endlose Reihen von Säcken und Schalen mit allen erdenklichen Gewürzen; im Getreidesuq lernte ich, wie viele verschiedene Sorten von Hirse es gibt. Meine Nase sog zahlreiche exotische Düfte ein. Es gab Obst und Eier, Trauben und Salz, Orangen und Datteln, Getreide und Mehl, Tee und Kaffee, Eier und Rosinen, Ringelblumen und Rosen. Zwischen den Häuserreihen drängten fahrende Händler und verkauften ihre Waren von Schubkarren.
Im Metall-Suq türmten sich Töpfe und Kessel, Kannen und Pfannen; im Brot-Suq gab es alle Arten von Fladenbroten und Brötchen. Die kleineren Läden waren lediglich lange, fensterlose Räume, die tief in die Häuser hineinreichten. Zur Straße wurden sie durch zweiflügelige Holztüren gesichert, die einfach aufgeklappt wurden. Wir sahen Metallhandwerker und Topfmacher bei der Arbeit, ebenso Schmiede und Schweißer. Und dazwischen gab es immer wieder winzige Geschäfte, in denen häufig Jugendliche Getränke, Süßigkeiten oder Snacks verkauften.
Das Ganze war eine Symphonie der Farben und Geräusche. Es wurde angepriesen und verhandelt, gelacht und gehupt, und darüber breiteten sich die fremden Rhythmen arabischer Melodien aus zahllosen Lautsprechern aus.
Mir fiel auf, dass viele Männer
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