03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Reise in die Wüste und zurück nahm bestimmt mehrere Tage in Anspruch. Dazu kam die Zeit, die wir benötigten, um diesen Mayyid oder Hayyid aufzuspüren, von dem der Bibliothekar gesprochen hatte.
Ich nahm mir vor, meine Eltern sofort anzurufen, wenn wir mit Larissas Eltern wieder aus der Wüste zurück waren. Während mir die Augen zufielen, wurde mir klar, dass das ein ziemlich großes Wenn war. Nicht nur, was ihre Eltern betraf, sondern auch hinsichtlich unserer Rückkehr. Doch bevor ich darüber weiter nachdenken konnte, schlief ich ein.
Jemen
Streifzug durch Sanaa
Craig und Caitlin Campbell brachten uns nach dem Frühstück zum Flughafen. Der Bibliothekar war kurz vor unserer Abreise aufgetaucht, um uns noch einmal letzte Instruktionen zu geben, blieb aber im Haus der Campbells zurück. Das schien sein Prinzip zu sein: zurückzubleiben, während andere sich auf die Reise machten.
Caitlin umarmte uns vor der Sicherheitskontrolle und wünschte uns alles Gute. Dabei standen Tränen in ihren Augen. Craig beließ es bei einem kräftigen Händedruck. »Wenn ihr alle wohlbehalten wieder zurück seid, müsst ihr uns anrufen.«
Das versprachen wir natürlich. Ich war froh, als wir endlich vor der Körperkontrolle standen. Caitlin war nett, und auch Craig hatte sich in den letzten beiden Tagen von einer angenehmeren Seite gezeigt als vorher. Aber diese ganze Rührseligkeit verstärkte nur mein mulmiges Gefühl, und darauf konnte ich gut verzichten.
Nach der Ankunft in London Heathrow mussten wir zwei Stunden auf unseren Anschlussflug warten. Larissa, die das Buch der Leere die ganze Zeit bei sich trug, holte es aus der Umhängetasche und zog es mit spitzen Fingern aus der Plastikhülle. Vorsichtig schlug sie es auf und betrachtete die leeren Seiten.
»Irgendwo muss doch der Schlüssel zur Kraft des Buches liegen«, murmelte sie. Ihre Augen wurden glasig.
Ich nahm ihr das Buch aus der Hand und steckte es schnell zurück in den Plastikumschlag.
»Was hast du denn?«, brauste sie auf. »Man kann es kurz in die Hand nehmen. Ich habe noch nichts gespürt. Und schließlich müssen wir es doch untersuchen, wenn wir herausbekommen wollen, wie wir es gegen die Schatten einsetzen sollen.«
»Du warst schon auf dem besten Weg, ins Koma zu fallen«, schimpfte ich. »Auf die Weise bekommst du bestimmt nichts heraus. Außerdem kannst du nie wissen, wer uns gerade beobachtet.«
»Du leidest unter Verfolgungswahn«, erwiderte sie. »Wer soll uns hier schon beobachten?« Sie machte eine ausholende Armbewegung.
Der Wartebereich um uns herum war kaum bevölkert. Nur eine arabische Familie und mehrere Geschäftsleute unterhielten sich oder lasen. Tatsächlich schien uns niemand zu beachten. Aber ich traute dem Frieden nicht.
»Mach dich ruhig über mich lustig. Ich bin lieber übervorsichtig. Es gibt viele Menschen, die seit langer Zeit nach diesem Buch jagen und alles tun würden, um es in die Hände zu bekommen.« Ich packte das Buch wieder in ihre Tasche. »Außerdem glaube ich nicht, dass wir im Buch etwas finden, das uns weiterhilft. Die Seiten sind leer und geben keine Geheimnisse preis. Ich denke, wir müssen das Buch selbst benutzen, auch wenn ich nicht weiß, wie.«
»Gegen Burke hat es uns geholfen«, gab Larissa zu bedenken.
»Ich hoffe bloß, dass es bei den Schatten genauso einfach sein wird«, antwortete ich nachdenklich. Aber ich war mir keineswegs sicher.
Den Rest der Zeit vertrieb ich mir, indem ich den Reiseführer studierte, den ich in Edinburgh gekauft hatte. Auch den anschließenden fünfstündigen Flug von London nach Kairo nutzte ich, um mich ein wenig mehr mit dem Jemen und der arabischen Sprache vertraut zu machen.
Der Jemen gilt als die Wiege der arabischen Kultur. Belegt ist die Besiedlung des Landes seit dem zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Damals war das Land Zentrum des Handels zwischen Indien, Ostafrika und dem Mittelmeerraum. Als Lieferant so begehrter Erzeugnisse wie Gewürze, Weihrauch und Myrrhe entwickelte es sich schnell zum politischen und kulturellen Zentrum Arabiens.
Das bekannteste Königreich jener Zeit war Saba. Schon in der Bibel wird von einem Besuch der Königin von Saba bei König Salomon berichtet. Die Hauptstadt Sabas war Marib, die berühmteste Stadt des alten Jemen. Heute noch kann man die Ruinen des Staudamms von Marib besichtigen, eines technischen Wunderwerks seiner Zeit, mit dem das Land fruchtbar gemacht wurde. Die Jemeniten verfügten damals
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