03 Arthur und die Stadt ohne Namen
das mit Wasser zu Schaum geschlagen wird.«
Wir hielten vergeblich nach Löffeln Ausschau. Maurice deutete auf das Brot. Er riss ein Stück davon ab, tunkte es in seine Schale, ließ es ein wenig durchweichen und steckte es dann in den Mund.
Wir taten es ihm nach. Ich reckte den Kopf weit über den Tisch, denn die Bissen tropften ganz schön, und ich wollte mir meine helle Hose nicht versauen. Es schmeckte ausgezeichnet. Das Fleisch schien Huhn zu sein, was mir Maurice bestätigte.
Wir aßen, bis wir auch den letzten Rest Saltah von den Schalenwänden gewischt hatten. Maurice, der sah, wie es uns schmeckte, lächelte. »Die Kochkunst der Sanaaer wird von keinem anderen Volk übertroffen. So schrieb bereits im zehnten Jahrhundert der Historiker und Geograf al-Hamdani«, sagte er. »Und ich muss sagen, in den drei Jahren, die ich jetzt hier lebe, habe ich immer ausgezeichnet gegessen.«
»Schade nur, dass es so unruhig ist im Jemen«, bemerkte ich. »Sonst würden bestimmt viel mehr Besucher und Touristen kommen.«
Maurices Gesicht wurde ernst. »Das stimmt. Seiner Verfassung nach ist der Jemen zwar ein moderner Staat, aber das Erbe der ehemaligen Stammesgesellschaft ist noch überall zu spüren. Es geht ja nicht nur um Al Kaida. Der Jemen ist ein wahres Sammelbecken von militanten Splittergruppen. Neben verschiedenen Beduinenstämmen, die auch gerne mal zu den Gewehren greifen, gibt es die Bewegung des Südens, die schiitischen Houthis und die bewaffnete Bewegung der Sunniten. Manchmal denke ich, in diesem Land schießt jeder auf jeden.«
»Hier ist davon nichts zu spüren«, sagte ich.
»Sanaa ist auch relativ friedlich. Aber das Einflussgebiet von Al Kaida beginnt bereits fünfzehn Kilometer vor der Stadt.«
»Und was unternimmt die Regierung dagegen?«
»Sie muss an vielen Fronten kämpfen und das Bergland ist unzugänglich. Es ist nicht leicht, dort einen Gegner zu besiegen.«
»Dann müssen wir aufpassen, dass wir keinem von denen über den Weg laufen.«
»Ihr wollt also wirklich in die Wüste?«
Nein, ich wollte nicht. Aber ich musste, weil ich Larissa nicht allein ihrem Schicksal überlassen konnte. Aber das sprach ich natürlich nicht laut aus.
»Es kann doch nicht alles Kriegsgebiet sein«, sagte Larissa. »Wir müssen einfach einen Weg finden, der weit genug daran vorbeiführt.«
Maurice sah skeptisch drein. »Die Fronten verschieben sich täglich. Aber vielleicht können wir euch mit ein wenig UN-Schutz ausrüsten. Mitarbeiter der Vereinten Nationen werden zum Glück meistens in Ruhe gelassen.«
Er winkte den Kellner herbei und zahlte. Dann machten wir uns zurück zu seinem Haus auf, wo Zakiya hoffentlich schon mit einer Nachricht auf uns wartete.
Als wir das Lokal verließen, fiel mir ein Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf, der sich schnell wegdrehte, als wir auf die Gasse traten. Er sah nicht anders aus als viele andere, und doch kam es mir so vor, als hätte ich ihn bereits einmal gesehen. Er trug ein graublaues Sakko und ein rotweißes Kopftuch.
Ich schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich irrte ich mich. Wer sollte uns hier schon verfolgen? Und warum? Außer Maurice, Zakiya, den Campbells und dem Bibliothekar wusste keiner von unserer Anwesenheit hier.
Ich folgte Maurice und Larissa zurück zum Stadttor. Ab und zu blickte ich mich um, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Wahrscheinlich sah ich mal wieder Gespenster.
Das war allerdings ein Irrtum, wie sich später herausstellen sollte.
Das Haus der Dschinns
Zakiya erwartete uns bereits. Auf dem Tisch lag ein Stadtplan ausgebreitet, in dem sie eine Stelle markiert hatte.
»Die Anschrift ist eine schmale Gasse in der Altstadt«, erklärte sie. »Allerdings gibt es ein kleines Problem.«
»Und das wäre?«, fragte ich.
»Es ist die Gasse der Dschinns.«
Larissa und ich blickten sie verständnislos an. Maurice und Zakiya lachten.
»Ihr wisst doch, was Dschinns sind, oder?«
»Irgendwelche Geisterwesen aus Tausendundeiner Nacht«, sagte Larissa.
Zakiya nickte. »Dort kommen sie auch vor, das stimmt. Aber Dschinns gibt es nicht nur im Märchen, sie sind ein fester Bestandteil des arabischen Alltags.«
»Man glaubt, dass die Dschinns neben den Menschen und Engeln die dritte Gattung vernunftbegabter Lebewesen darstellen, die Gott geschaffen hat«, erklärte Maurice. »Sie werden sogar im Koran erwähnt. Dort heißt es, sie seien aus rauchlosem Feuer erschaffen worden. Sie sind den Menschen in vielen
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