03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Larissa, die nervös auf ihrem Stuhl hin und her rutschte.
Abdul Hakim legte die Stirn in Falten. Er markierte mit dem Finger einen Punkt auf dem Bildschirm und drehte sich dann in seinem Stuhl um, um den Rollschrank zu öffnen. Er zog einen hölzernen Karteikasten hervor und kramte darin herum. Es dauerte eine Weile, bis er fand, was er gesucht hatte. Es war eine alte Karteikarte, die schon ein wenig vergilbt aussah. Er legte sie vor sich auf den Tisch.
»Jetzt erinnere ich mich wieder«, sagte er. »Damals war mein Vater noch im Geschäft und ich habe ihm lediglich assistiert. Deshalb sind mir manche Vorfälle aus jener Zeit nicht so geläufig. Dieser Hayyid war ein Junge, den mein Vater kannte und der sich ab und an als Führer etwas Geld verdiente. Er hat das Ehepaar Lackmann in die Wüste begleitet. Danach hat er sich hier nicht wieder blicken lassen. Als wir gehört hatten, dass die Lackmanns verschollen waren und dass ihr Auto verlassen in der Wüste aufgefunden wurde, dachte mein Vater erst, Hayyid sei ebenfalls ums Leben gekommen. Aber einige Wochen nach dem Verschwinden der Lackmanns tauchte er doch noch einmal hier auf, um mitzuteilen, dass er keine Führungen mehr machen würde.«
Er schob die Karteikarte über den Tisch zu uns hin. »Bitte, das hier ist die Anschrift, an der er damals gelebt hat. Ob sie noch aktuell ist, weiß ich natürlich nicht.«
Larissa nahm die Karte vorsichtig auf, so als hätte sie Sorge, das Papier könne plötzlich zu Staub zerfallen. »Haben Sie meine Eltern damals gesehen?«, fragte sie.
Hakim schüttelte den Kopf. »Mein Vater machte die Büroarbeit. Ich habe die Dinge organisiert und war meistens nicht hier. Auch an diesen Hayyid kann ich mich nicht erinnern, obwohl ich ihn bestimmt einmal getroffen haben muss.«
»Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Larissa und Zakiya standen auf.
»Keine Ursache.« Er erhob sich ebenfalls. »Und falls Sie eine Tour in die Wüste buchen wollen: Keiner bietet bessere Konditionen als Abdul Hakim.«
Wir verabschiedeten uns. »Kennen Sie die Adresse?«, fragte Larissa unsere Begleiterin, als wir wieder auf der Straße standen.
Zakiya warf einen Blick auf die Karteikarte. »Der Name der Straße sagt mir nichts. Aber wir haben zu Hause einen Stadtplan. Dort wird sie sicher verzeichnet sein.«
Wir folgten ihr zurück zum Bab al-Yaman. Fast im Minutenrhythmus kamen japanische Pick-ups hereingefahren, die neue Waren für den Markt und die Geschäfte in der Altstadt brachten. Wir hatten uns um diese Zeit mit Maurice vor dem Tor verabredet. Er wollte uns in ein typisch jemenitisches Restaurant führen, und da Männer und Frauen nicht gemeinsam essen durften, konnte Zakiya nicht mitkommen und Maurice musste diese Aufgabe übernehmen. Ich war gespannt, wie gut Larissa ihre Rolle als junger Mann spielen würde.
Als wir durch das Tor traten, kam er uns auch schon entgegen. Zakiya versprach uns, sofort im Stadtplan nach der Adresse zu suchen, und wir folgten Maurice zurück in die Altstadt. Ich presste mir noch immer das Kath-Bällchen in die Backe und kam mir vor wie ein echter Jemenit. Alles, was mir jetzt noch fehlte, war ein Krummdolch. Wir kamen an einer Reihe von Geschäften vorbei, die offenbar nur damit zu handeln schienen, und ich nahm mir vor, vor der Rückreise auf jeden Fall einen solchen Dolch zu kaufen.
Das Restaurant war ein großer, offener und gut gefüllter Raum. Es gab keine Stühle, sondern nur einfache Bänke, die um schlichte Tische gestellt waren. Bevor wir eintraten, trennte ich mich widerwillig von meinem Kath. Jetzt war ich wieder ein normaler Tourist.
Der Boden war mit gelben Fliesen ausgelegt, die sich auch an den Wänden emporzogen. Der Koch stand auf einer Empore an einer Seite des Restaurants in einer riesigen Dampfwolke hinter seinen Töpfen, aus denen er Saltah, eine Mischung aus Brühe, Eiern, Reis, Fleisch und Paprika in eine Reihe von Tonschalen schöpfte. Unter der Empore sorgten seine Gehilfen dafür, dass die Gasflammen unter den gewaltigen Bottichen nicht erloschen. Die kochend heißen Steinschalen wurden mithilfe großer Zangen serviert.
Maurice bestellte das Essen für uns, und wenige Minuten später brachte ein Kellner uns unsere Saltah-Schalen, ein Stück Zeitungspapier, auf dem ein Stapel von dünnen Fladenbroten lag, und drei Gläser Tee. Auf dem Eintopf schwamm eine schaumige Masse.
»Das ist Hulbah «, erklärte Maurice, der meinen misstrauischen Blick bemerkte. »Es ist einfaches Bockshornmehl,
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