03 Arthur und die Stadt ohne Namen
dokumentiert. Vieles ist nur mündlich überliefert, und das hat natürlich Einfluss auf die Zuverlässigkeit.«
»Okay«, warf ich ein. »Vergessen wir den Garten mal für eine Sekunde. ›Vergessenes Tor‹ ist einfacher. Ich nehme mal an, es bezieht sich auf eines der acht Stadttore, die es heute nicht mehr gibt.«
»Und von denen man auch nicht exakt weiß, wo genau sie sich befunden haben«, dämpfte Zakiya meine Hoffnung.
»Und die vergessene Stunde?«, fragte Larissa.
»Damit kann ich zumindest dienen«, antwortete Maurice. »Das ist ein Begriff für die Zeit der Abenddämmerung. Im Westen wird es auch gern die ›blaue Stunde‹ genannt.«
»Eine Zeitangabe also«, hielt ich fest. »Dann ist es wahrscheinlich, dass die anderen beiden Begriffe eine Ortsangabe sind. Wir müssen nur noch feststellen, wofür.«
»Einen Moment mal.« Maurice verließ das Zimmer und kehrte wenig später mit einer Papierrolle unter dem Arm zurück. Er machte etwas Platz auf dem Tisch und breitete sie aus.
»Wir haben gerade ein Unterrichtsprojekt zur Geschichte Sanaas entwickelt«, erklärte er. »Deshalb habe ich noch einiges Material zu dem Thema hier. Dies ist ein Plan der Stadt aus dem 19. Jahrhundert. Auf ihm sind acht Tore markiert.«
Ich beugte mich über den Plan. Es war die leicht verschwommene Kopie eines alten Kupferstichs. Viele Details waren nicht zu erkennen. Innerhalb der Stadtmauer waren einige größere freie Flächen eingezeichnet, die mit dem Wort Bastan bezeichnet waren.
»Das heißt eigentlich Bustan und ist ein weiterer Begriff für einen Garten«, sagte Zakiya.
»Hier.« Ich tippte mit dem Finger auf eine Stelle der alten Karte. »Gibt es diesen Garten heute noch?«
Maurice beugte sich über die Karte. »Hmmm ... Das müsste die Ali Abdul Moghri Straße sein ... und das der Tahrier-Platz. Er ist zwar begrünt, aber Gärten gibt es dort nicht mehr.«
»Das könnte es sein«, murmelte ich. »Hier sieht man, dass dort früher auch eines der Stadttore war, das Bab Khuzaima. Ein vergessener Garten, ein vergessenes Tor.«
»Und um die vergessene Stunde sollten wir da sein!«, rief Larissa. »Wann haben wir denn heute Abenddämmerung?«
»Die Sonne geht um diese Jahreszeit etwa um siebzehn Uhr unter«, erwiderte Zakiya.
»Dann sollten wir um diese Zeit am Tahrier-Platz sein«, sagte ich.
Larissa blickte mich zweifelnd an. »Wieso gerade heute?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber wir haben hier eine Zeit- und eine Ortsangabe, und ich glaube, dass das eine Botschaft ist und eine Aufforderung für ein Treffen. Der Schreiber kann ja nicht gewusst haben, wann jemand kommen wird und sein Rätsel entschlüsselt. Also nehme ich an, dass er sich jeden Tag dort aufhält.«
Maurice warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich denke, ihr wollt dann gleich zum Tahrier-Platz, oder?« Larissa und ich nickten. »Okay, dann bringe ich euch hin. Wir könnten das Auto nehmen, aber das kann um diese Zeit ziemlich lange dauern. Zu Fuß sind es etwa zwei Kilometer von hier. Dann sollten wir aber sofort aufbrechen.«
Zakiya versorgte uns noch mit ein paar Flaschen Mineralwasser und wir machten uns auf den Weg. Nach der Mittagshitze hatten sich die Straßen gefüllt. Überall wurde gehandelt, gegessen, getrunken oder einfach nur herumgestanden.
Als wir unser Ziel kurz vor fünf Uhr erreichten, waren wir zuerst schockiert. Der Platz war riesig. »Wie sollen wir hier jemanden finden, von dem wir nicht einmal wissen, wie er aussieht?«, fragte Larissa.
Darauf hatte ich auch keine Antwort. Der ungefähr dreieckige Platz lag auf der Grenze zwischen der Altstadt und der Neustadt von Sanaa. Dominiert wurde er von einem gewaltigen, kreisrunden Springbrunnen inmitten von Rasenflächen. An einer Ecke standen ein paar Bäume, die etwas Schatten spendeten. Kleine Mäuerchen umgaben die übrigen Anpflanzungen, die aus ein paar Büscheln Blumen und einer Handvoll mehr oder weniger kunstvoll beschnittener Bäumchen bestanden.
Der Platz war nicht überfüllt, aber auch nicht leer. Frauen mit Kindern bummelten über die Wege, Männer saßen auf dem Rasen und lasen. Andere standen einfach nur herum und rauchten eine Zigarette. Wer davon mochte unser Kontakt sein? War es überhaupt Hayyid selbst, der jeden Tag hierherkam (wenn meine Annahme stimmte), oder schickte er vielleicht eine andere Person? Und wie sollten wir ihn und er uns erkennen?
Wir hockten uns auf eines der roten Ziegelsteinmäuerchen und warteten. Langsam
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