03 - Auf Ehre und Gewissen
falls Sie noch im Dienst sein sollten. Bitte, entschuldigen Sie mich jetzt.« Sie nickte ihnen zu und lief leichtfüßig die Treppe hinauf.
»In Sachen Partnerschaft und Liebe scheint Mr. Byrne ja keinen Mangel zu leiden«, brummte Barbara, als sie allein waren. »Oder vielleicht ist sie nur eine geliebte Schülerin. Weil er ja so ein begeisterter Pädagoge ist, der gute Giles.«
Lynley warf ihr nur einen kurzen Blick zu und wies mit dem Kopf zum Wohnzimmer, das sich links vom Foyer befand: ein behaglich, keineswegs protzig eingerichteter Raum mit wenigen schönen Möbelstücken. Grün war die vorherrschende Farbe, die in unterschiedlichen Schattierungen - blasses Lind die Wände, dunkles Moos die Couchgarnitur, sattfarbig wie eine Sommerwiese der dicke Teppich - die Atmosphäre des Raums bestimmte. Auf einem Klavier aus dunklem Holz vor dem Fenster stand eine Reihe von gerahmten Fotografien, die Lynley sich ansah, während sie auf Byrne warteten.
Die Aufnahmen zeugten von dem Ansehen, das Giles Byrne als öffentlicher Meinungsmacher und politischer Experte genoß. Sie zeigten ihn mit prominenten Vertretern aller politischen Richtungen von Margret Thatcher bis Neil Kinnock. Neben dem alten Harold Macmillan sah man Ian Paisley und eine brummige Bernadette Devlin, drei amerikanische Außenminister und einen ehemaligen Präsidenten. Giles Byrne zeigte auf allen Bildern immer dasselbe Gesicht - spöttisch distanziert und leicht amüsiert. Gerade diese Distanziertheit, die Fähigkeit, seine eigenen politischen Ansichten völlig zurückzustellen, machten ihn als Interviewer so erfolgreich. Er beleuchtete jedes Problem und jede Persönlichkeit aus jeder möglichen Perspektive und ließ sich zu niemandes Gefolgsmann machen. Mit seiner scharfen Zunge und seinem beißenden Witz hatte er so manchen überheblichen Politiker zu Fall gebracht.
»Edward Hsu«, sagte Barbara nachdenklich.
Lynley sah, daß sie zum Kamin gegangen war, über dem zwei Aquarelle hingen, beides Ansichten der Themse. Sie zeigten den zarten Pinselstrich und das fein angedeutete Detail, die die östliche Malerei auszeichnen. Auf dem einen Bild hoben sich Bäume, Sträucher und Flußufer aus wallendem Bodennebel und schienen auf ihm so sanft dahinzutreiben wie die Barke im Vordergrund auf dem morgendlich leuchtenden Wasser. Auf dem anderen drängten sich drei Frauen in zartfarbenen Gewändern auf der Veranda eines Häuschens am Fluß zusammen, um dort vor einem Regenschauer Schutz zu suchen. Beide Bilder waren mit E. Hsu signiert.
»Hübsch«, sagte Barbara und griff nach einem kleinen Foto, das unter den Bildern auf dem Sims stand. »Dann wird das wohl Edward Hsu sein. Ein bißchen zwangloser als die Aufnahme von ihm, die in der Schulkapelle hängt.« Sie sah sich aufmerksam im Zimmer um, blickte stirnrunzelnd wieder auf das Foto und sagte nachdenklich: »Etwas ist komisch hier, Inspector.«
Lynley trat zu ihr und nahm ihr das Foto aus der Hand.
Barbara stellte das Foto wieder hin und ging zu einer Kommode auf der anderen Seite des Zimmers. Auf ihr stand ein Abzug des Fotos von Matthew Whateley, das sie im Haus seiner Eltern gesehen hatten. Barbara hielt es hoch.
»Da drüben steht ein Foto von Edward Hsu. Hier steht eines von Matthew Whateley. Dort« - sie wies zum Klavier - »haben wir ein halbes Dutzend Prominente, aber nur das eine Foto von Brian, im Boot mit Edward Hsu. Und wie alt war Brian damals - drei? Vier?«
»Fast fünf«, sagte Giles Byrne von der Tür her. Hinter ihm im Foyer stand, wie eine Studie in Hell und Dunkel, die Pakistanerin.
»Es ist kein Geheimnis, daß Brian und ich kaum Verbindung haben«, bemerkte Byrne und trat langsam ins Zimmer. Er wirkte sehr abgespannt. »Er will es so, nicht ich.« Flüchtig drehte er sich nach der Frau um. »Du brauchst nicht zu bleiben, Rhena.
Du mußt doch noch den Schriftsatz für nächste Woche fertigmachen, nicht?«
»Ich möchte aber gern bleiben, Giles«, entgegnete sie und ging lautlos durchs Zimmer, um sich auf das Sofa zu setzen. Sie streifte die Sandalen von ihren Füßen und zog die Beine hoch. Vier dünne Armreifen glitten leise klirrend ihren Arm hinunter. Sie sah Byrne an.
»Na schön, wenn du willst.« Er ging zu einem Servierwagen mit Karaffen, Gläsern und einem Eiskübel. »Etwas zu trinken?« fragte er Lynley und Barbara mit einem Blick über die Schulter. Als sie ablehnten, schenkte er sich einen Whisky ein und mixte der Frau ein Getränk aus mehreren Zutaten. Dann
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