Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
schaltete er das Gas im Kamin an, stellte die Flamme ein und ging mit den beiden Gläsern zur Couch, wo er sich neben die Frau setzte.
    Wenn dies alles Manöver war, um Zeit zu gewinnen, sich zu sammeln oder zu demonstrieren, daß er Herr der Lage war, so gab es Lynley gleichzeitig hinreichend Gelegenheit, sich den Mann genauer anzusehen. Byrne war, wie er wußte, Mitte Fünfzig, ein Mann, der nicht mit körperlicher Schönheit gesegnet war. Eher wirkte er dank gewisser Merkmale, die übermäßig ausgeprägt waren, wie eine Karikatur seiner selbst. Er war fast kahl, und das wenige dünne Haar, das noch vorhanden war, bauschte sich wie Flaum um seinen Kopf. Die Nase war zu groß, Mund und Augen waren im Verhältnis zu klein, das Gesicht lief von der Stirn zum Kinn hin so spitz zu, daß es wie ein auf den Kopf gestelltes Dreieck wirkte. Er war sehr groß und mager. Das offensichtlich teure Jackett hing ihm schlotternd um den Körper, und die Arme waren zu lang für die Ärmel, so daß man die knochigen Handgelenke sah und die Aufmerksamkeit auf die großen, grobknochigen Hände gezogen wurde, die einen gelblichen Ton hatten, insbesondere die Finger, die von Nikotin verfärbt waren.
    Nachdem Lynley und Barbara sich gesetzt hatten, hustete Byrne erst einmal geräuschvoll in ein Taschentuch und zündete sich dann eine Zigarette an. Rhena nahm einen Aschenbecher vom Beistelltisch und hielt ihn für ihn in ihrer rechten Hand. Die Linke legte sie auf seinen Schenkel.
    »Sie werden sich denken können, daß wir hergekommen sind, um mit Ihnen über Matthew Whateley zu sprechen«, begann Lynley. »Wir stießen im Lauf unserer bisherigen Ermittlungen immer wieder auf Ihren Namen. Wir wissen, daß Matthew ein Adoptivkind war, wir wissen, daß Sie die Adoption vermittelten, wir wissen auch, daß Matthew Halbchinese war. Wir wissen jedoch nicht ...«
    Byrne begann wieder zu husten. Als der Anfall vorüber war, riß er sofort das Wort an sich. »Was hat das alles mit Matthews Tod zu tun? Denn darum geht es doch! Ein Kind wurde auf brutale Weise ermordet. Höchstwahrscheinlich von einem gemeingefährlichen Perversen. Und Sie überprüfen den Stammbaum des Jungen, als sei einer aus der Familie der Schuldige. Mir ist schleierhaft, welchen Sinn das haben soll.«
    Lynley hatte Byrne oft genug bei der Arbeit gesehen, um die Taktik zu durchschauen. Er wußte, wenn er versuchte, auf Byrnes Bemerkungen einzugehen, würde dieser mit erbarmungslosen Angriffen auf seine Glaubwürdigkeit und Kompetenz seine Erwiderungen in Stücke reißen.
    »Ich habe keine Ahnung, was es mit Matthews Ermordung zu tun hat«, sagte er deshalb. »Gerade das möchte ich herausfinden. Ich gebe zu, es machte mich neugierig, als ich gestern hörte, daß Sie einmal in naher Beziehung zu einem jungen Chinesen standen, der sich das Leben genommen hat. Noch neugieriger wurde ich, als ich hörte, daß Sie vierzehn Jahre nach dem Tod dieses Schülers einen zweiten Jungen unter Ihre Fittiche nahmen - einen Halbchinesen diesmal - und ihm ein Stipendium verschafften, obwohl andere Bewerber da waren, die den Anforderungen besser genügten; und daß auch dieser Schüler den Tod fand. Ich muß sagen, Mr. Byrne, in den letzten zwei Tagen bin ich auf so viele zufällige Zusammentreffen gestoßen, daß ich mich dem Eindruck, daß hier ein innerer Zusammenhang besteht, nicht länger erwehren kann. Vielleicht möchten Sie sich dazu äußern.«
    Byrnes Gesicht war hinter dem von der Zigarette aufsteigenden Rauch halb verschleiert. »Die Fakten seiner Geburt haben mit der Ermordung Matthew Whateleys nichts zu tun, Inspector. Aber ich werde sie Ihnen mitteilen, wenn Ihnen soviel daran liegt.« Er hielt inne, um die Asche der Zigarette am Rand des Aschenbechers abzuklopfen. Er nahm einen tiefen Zug, ehe er zu sprechen fortfuhr. Seine Stimme war rauh. »Ich wußte von Matthew, weil ich seinen Vater kannte - und liebte. Edward Hsu.« Byrne lächelte, als hätte er auf Lynleys Gesicht eine Reaktion gesehen. »Sie glaubten zweifellos, ich sei der Vater, ein Mann mit einer fatalen Leidenschaft für alles Chinesische. Tut mir leid, wenn die Wahrheit enttäuschend für Sie ist. Matthew war nicht mein Kind. Ich habe nur einen Sohn. Sie haben ihn kennengelernt.«
    »Und wer ist Matthews Mutter?« fragte Lynley.
    Byrne griff in seine Jackentasche, zog eine Packung Dunhill heraus und steckte sich die zweite Zigarette am glühenden Stummel der ersten an, den er dann im Aschenbecher ausdrückte.

Weitere Kostenlose Bücher