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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Erfüllung all ihrer Träume; all der Träume, die auf der Bahre aus rostfreiem Stahl im kalten Leichenschauhaus, wohin man Kevin zur Identifizierung gebracht hatte, ihr Ende gefunden hatten.
    Matthew war mit einem grünen Laken zugedeckt gewesen, obenauf die absurden Worte Wäscherei und Reinigung Lewiston, als sollte er in eine Waschmaschine gesteckt werden. Der schweigsame Polizeibeamte hatte das Gesicht aufgedeckt, aber es wäre gar nicht nötig gewesen. Irgendwann auf dem Transport der Leiche von einem Ort zum anderen, hatte sich der linke Fuß unter dem Stoff hervorgeschoben, der den Körper einhüllte, und Kevin hatte sofort gewußt, daß sein Sohn unter dem Laken lag.
    Daß man den Körper seines Kindes so gut kennen konnte, daß allein der flüchtige Anblick eines Fußes genügte, um das Kind zu erkennen und in den tiefsten Abgrund des Schmerzes zu stürzen. Er hatte dennoch seine Pflicht getan und eine formgerechte Identifizierung vorgenommen.
    Kevin dachte an Matthews Gesicht, von dem der Tod den Schmerz gewischt hatte. Er hatte einmal gehört, daß die Gesichter der Toten die Art ihres Sterbens widerspiegelten. Aber er wußte, daß diese alte Geschichte nicht wahr war. Matthews Körper trug Male von Brutalität und Gewalt; aber sein Gesicht war heiter gewesen. Er hätte schlafen können.
    Dieser kleine Körper auf dem kalten Metallgestell. Der auf das Messer wartete, das Muskel und Gewebe durchtrennen, das Organe zur Untersuchung herausschneiden würde, damit die Ärzte sondieren und zerlegen konnten, bis sie eine Todesursache entdeckt hatten. Wozu? Seinen Tod zu benennen, würde ihm das Leben nicht wiedergeben. Matthew Whateley. Dreizehn Jahre alt. Tot.
    Kevin spürte das aufsteigende Schluchzen wie einen Klumpen in seiner Brust. Er kämpfte es nieder. Verschwommen hörte er, daß die Polizeistunde ausgerufen wurde, und fluchtartig lief er hinaus in die Nacht.
    Er wandte sich in Richtung seines Hauses. Vor ihm an der Kaimauer stand ein grüner Mülleimer. Er näherte sich ihm wie betäubt. Sonntagnachmittagsspaziergänger hatten ihn mit Papierchen und Flaschen, leeren Dosen und Zeitungen gefüllt, und obenauf lag ein zerfetzter Drachen.
    Warte, Dad, laß mich doch mal! Ich will ihn steigen lassen! Ich kann's.
    »Matt!«
    Das Wort zerriß Kevins Körper, als suche ein Teil seiner Seele gewaltsam Freiheit. Er krümmte sich, fühlte den Rand des Mülleimers unter seinen Händen.
    Ich möcht ihn steigen lassen! Dad, ich kann's! Ich kann's!
    Kevin brach zusammen. Mit beiden Händen umkrallte er den Mülleimer. Er riß ihn hoch, schleuderte ihn auf das Pflaster und warf sich über ihn, trommelte mit den Fäusten darauf, trat mit den Füßen dagegen, rammte seinen Kopf in die Metallwand.
    Er spürte, wie die Haut an seinen Fingerknöcheln aufplatzte. Seine Füße verfingen sich in übelriechenden Abfällen. Blut tropfte ihm von der Stirn in die Augen.
    Aber er weinte nicht.

5
    Irgendwann nach drei Uhr war Deborah in einen unruhigen Schlaf gefallen und erwachte kurz vor halb sieben wie gefoltert. Ihr ganzer Körper schmerzte von der Anspannung, mit der sie sich die ganze Nacht dagegen gesperrt hatte, instinktiv Simons Nähe zu suchen.
    Das Licht der Morgensonne fiel gedämpft durch die Vorhänge und tauchte das Zimmer in Dämmerschein. Es schimmerte auf dem Holz der Möbel, verwandelte das schlichte Messing der Beschläge in rostdunkles Gold. Es lag sanft leuchtend auf Fotografien und gab den Dingen, die im nächtlichen Dunkel zerflossen waren, ihre Gestalt wieder.
    In einem schmalen Strahl fiel es über Simons Gestalt und beleuchtete seine rechte Hand, die reglos auf dem Bett zwischen ihnen ruhte. Noch während Deborah hinsah, krümmten sich die Finger zum Handteller hin und streckten sich dann. Er war wach.
    Vor sechs Wochen noch wäre sie beim ersten Erwachen zu ihm hinübergekrochen, um sich in seine Arme zu legen. Sie hätte die Berührung seiner Hände gespürt, die ihren ganzen Körper kannten, und seiner Lippen, die den Morgen auf ihrer Haut kosteten. Sie hätte seine zärtlichen Worte gehört und sie hätte sein Lächeln gesehen, wenn er sachte ihren Bauch streichelte und dem Kind, das darin wuchs, leise guten Morgen sagte. Und ihre Umarmung zu dieser frühen Stunde wäre weniger ein Akt der Leidenschaft gewesen, als Bestätigung und Erfüllung ihrer Zusammengehörigkeit.
    Sie verlangte nach ihm, nach der Linderung ihres Sehnens durch seine Berührung. Sie hob den Kopf, um ihn anzusehen, und sah, daß

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