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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wie bisher. Die Vorstellung war erstickend, eine abschreckende Vision in eine Zukunft, die hoffnungslos und endlos war.
    Als das Telefon läutete, trottete sie niedergeschlagen in die Küche und versuchte, sich durch den Anblick des ungespülten, verklebten Frühstücksgeschirrs nicht noch mehr entmutigen zu lassen.
    Lynley war am Apparat, als sie sich meldete. »Wir haben einen Mord, Sergeant«, sagte er. »Ich brauche Sie. Wir treffen uns morgen früh um - sagen wir halb acht im Haus der St. James'.«
    Barbara wußte, daß Lynley einer Bitte um ein, zwei freie Tage sofort stattgegeben hätte. Sie hatte zwar sorgsam darauf geachtet, ihn die Wahrheit über ihre Lebens-Verhältnisse niemals auch nur ahnen zu lassen, aber die Anzahl an Überstunden, die sie in den letzten Wochen gemacht hatte, hätte ein paar freie Tage unbedingt gerechtfertigt. Und das wußte er auch. Er hätte also eine entsprechende Bitte von ihr gar nicht erst in Frage gestellt. Sie verstand selbst nicht, was sie davon abhielt, sie vorzubringen; aber noch während sie sich das sagte, gestand sie sich die Lüge ein. Ein neuer Fall, der ihren Einsatz schon morgen in aller Frühe erforderlich machte, verhieß wenigstens vorübergehenden Aufschub des sonst morgen unweigerlich bevorstehenden Kampfes mit beiden Eltern.
    »Havers?« sagte Lynley. »Haben Sie verstanden?«
    »Um halb acht bei den St. James'«, wiederholte sie. »In Ordnung, Sir.«
    Sie legten beide gleichzeitig auf. Barbara versuchte, ihre Gefühle zu ergründen, dem, was da in ihr aufwallte, einen Namen zu geben. Sie hätte es gern Scham genannt. Sie wußte, daß es Erlösung war.
    Sie ging zu ihrem Vater, um ihm zu sagen, daß sie den Arzttermin auf einen anderen Tag verschieben mußten.

    Kevin Whateley war nicht ins Royal Plantagenet gegangen, das Pub nebenan. Vielmehr ging er am Fluß entlang, am dreieckigen alten Anger vorbei, wo er und Matthew einst sich im Umgang mit ihren ferngesteuerten Flugzeugen geübt hatten, und trat in ein Pub, das älter war und auf einer kleinen Landzunge stand, die wie ein abgebogener Finger in die Themse hineinragte.
    Er hatte absichtlich das Blue Dove gewählt. Im Royal Plantagenet hätte er trotz der Nähe zu seinem Haus vielleicht ein paar Minuten vergessen. Im Blue Dove würde ihm das nicht möglich sein.
    Er setzte sich an einen Tisch mit Blick auf das Wasser. Trotz der nächtlichen Kälte war jemand draußen beim Steg und fischte von einem Boot aus. Lichter schwankten sachte im Rhythmus des Flusses. Kevin sah hinaus und wehrte sich nicht, als das Bild Matthews vor ihm auftauchte, wie er genau diesen Steg entlangrannte, stürzte, sich das Knie aufschlug, sofort wieder aufsprang, ohne zu weinen. Und er weinte auch nicht, als es zu bluten begann und als später die Wunde genäht wurde. Er war ein tapferer kleiner Kerl gewesen, immer schon.
    Kevin riß seinen Blick vom Steg los und richtete ihn auf den Mahagonitisch. Bierdeckel mit Reklame für Watney's, Guinness und Smith's lagen verstreut. Kevin sammelte sie ein, stapelte sie sorgsam, breitete sie aus wie Spielkarten, stapelte sie von neuem. Er merkte, wie flach er atmete, war sich bewußt, daß er mehr Luft holen müßte. Aber tiefer atmen hieß die Kontrolle lockern. Dazu war er nicht bereit. Denn er wußte nicht, wie er die Beherrschung wiedergewinnen sollte, wenn er sie einmal verloren hatte. Lieber blieb er ohne Luft.
    Er wartete. Er wußte nicht, ob der Mann, den er zu sehen wünschte, so spät am Sonntagabend noch, bloß Minuten vor der Polizeistunde, in das Pub kommen würde. Er wußte nicht, ob der Mann überhaupt noch hierher zu kommen pflegte. Vor Jahren war er Stammkunde gewesen, als Patsy noch hier am Tresen gearbeitet hatte, ehe sie die Stellung in einem Hotel in South Kensington angenommen hatte. Für Matthew, hatte sie gesagt, um zu erklären, warum sie bereit war, sich mit dem weit geringeren Lohn ihres neuen Arbeitsplatzes zu begnügen. Kein Junge möchte seinen Freunden erzählen müssen, daß seine Mutter in einer Kneipe arbeitet.
    Kevin hatte ihr zugestimmt.
    Sie wollten ihrem Sohn eine anständige Erziehung mitgeben. Er sollte einmal mehr Möglichkeiten haben als sie selbst gehabt hatten. Er sollte eine solide Schulbildung bekommen und damit die Chance, es im Leben einmal zu etwas zu bringen. Das waren sie ihm schließlich schuldig. Er war das Wunder, das ihnen der Himmel beschert hatte. Er war ihr kleiner Sonnenschein. Er war das Band zwischen ihnen. Er war die fleischgewordene

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