03 - Auf Ehre und Gewissen
vor, ein Bild lockerer Entspanntheit. »Habt ihr eine Ahnung, warum?«
Die Jungen tauschten verstohlene Blicke.
»Wie war er?« fragte Lynley. »Wedge?«
»Netter Kerl«, antwortete Wedge und heftete dabei seinen Blick fest auf Lynleys Gesicht, als könne er dadurch bekräftigen, daß er die volle Wahrheit sprach. »Ja, Matt war 'n netter Kerl.«
»Ihr wißt also, daß er tot ist.«
»Das weiß die ganze Schule, Sir.«
»Woher wißt ihr es?«
»Wir haben's heute morgen beim Frühstück gehört, Sir.«
»Von wem?«
»Weiß auch nicht. Es kam so den Tisch runter. Matt ist tot. Whateley ist tot. Einer aus dem Haus Erebos ist tot. Ich weiß nicht, wer's in Umlauf gesetzt hat.«
»Warst du überrascht?« »Ich dachte, es wär ein Witz.«
Lynley sah die anderen beiden an. »Und ihr?« fragte er. »Dachtet ihr auch, es wäre ein Witz?«
Sie nickten nur mit ernsten Gesichtern.
»So was erwartet doch keiner«, sagte Wedge wieder.
»Aber Matthew war doch schon seit Freitag vermißt gewesen. Da mußte ihm doch etwas passiert sein. So überraschend kann das nicht gewesen sein.«
Arlens kaute auf dem Nagel seines kleinen Fingers.
»Er sollte doch übers Wochenende mit Harry Morant mitfahren, Sir. Zusammen mit ein paar anderen von Kalchas - da ist Harrys Bude. Wir dachten, Matt wäre mit ihnen in die Cotswold gefahren. Er hatte einen Urlaubsschein. Alle wußten -« Er brach ab, als hätte er zuviel gesagt, senkte den Kopf und kaute weiter auf seinem Fingernagel.
»Alle wußten was?« fragte Lynley.
Wieder ergriff Wedge die Initiative. Er sprach mit erstaunlicher Geduld. »Alle wußten, daß Harry Morant übers Wochenende fünf Jungs zu sich nach Hause eingeladen hatte. Er hat nämlich furchtbar damit angegeben und so getan, als wär das was ganz Tolles. Als wär nur die Elite eingeladen. Das ist typisch Harry. Er macht sich gern wichtig«, schloß Wedge weise wie ein Alter.
Lynley beobachtete Smythe-Andrews, der immer noch an seinem Schuh herumstocherte. Sein Gesicht war mürrisch.
»Die anderen Jungen, die mit ins Wochenende fuhren, waren alle aus Kalchas, nicht? Woher kannte Matthew die so gut?«
Im ersten Moment antwortete keiner der Jungen. Aber es gelang ihnen nicht, die Tatsache zu verbergen, daß es auf die Frage eine einfache und direkte Antwort gab, die sie alle wußten, mit der sie aber nicht herausrücken wollten. Lynley dachte an sein Gespräch mit Matthews Eltern, an ihre hartnäckige Behauptung, daß ihr Sohn in Bredgar Chambers glücklich und zufrieden gewesen sei.
»Hat Matthew sich hier wohl gefühlt?« Er sah, daß Smythe-Andrews vorübergehend zu stochern aufhörte.
»Wer fühlt sich hier schon wohl?« sagte der Junge.
»Wir sind hier, weil es unsere Eltern wollen. Bei Matthew war's nicht anders.«
»Aber er selbst war anders, nicht wahr?« fragte Lynley. Auch diesmal antworteten sie nicht, dafür wechselten Arlens und Wedge einen hastigen Blick. »Man braucht sich ja nur anzusehen, was er an den Wänden hängen hat.«
»Er war in Ordnung«, sagte Wedge. Es klang wie ein Protest.
»Aber er brannte durch.«
»Er hat sich ein bißchen abgesondert«, bemerkte Arlens.
»Er war anders«, konterte Lynley.
Die Jungen erwiderten nichts. Aber ihre entschlossene Zurückhaltung war Bestätigung genug. Matthew Whateley war in der Tat anders gewesen, aber dieses Anderssein, vermutete Lynley, war nicht nur in der Wahl des Wandschmucks zum Ausdruck gekommen. Matthew war in diesem Milieu fehl am Platz gewesen, und die Jungen wußten es alle.
Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Arlens. »Was meintest du, als du sagtest, er hätte sich abgesondert?«
»Na ja, nur - er pfiff auf die Traditionen.«
»Was für Traditionen?«
»Sachen, die wir tun. Sie wissen schon. Schulzeug eben.«
»Schulzeug?«
Wedge war ungeduldig, sah Arlens stirnrunzelnd an.
»Dummes Zeug eben, Sir. Zum Beispiel muß im Glockenturm jeder seinen Namen einkratzen. Eigentlich sollte er abgeschlossen sein, aber das Schloß ist schon seit einer Ewigkeit hin, und alle - nur die Jungs, nicht die Mädchen - klettern irgendwann mal rauf und kratzen drinnen irgendwo ihren Namen in die Wand. Und wenn man will, dann raucht man da auch eine.«
Wedges Bereitschaft zu sprechen, schien Arlens die Zunge zu lockern. »Und man muß Zauberpilze suchen«, warf er lächelnd ein.
»Zauberpilze? Habt ihr hier Drogen an der Schule?«
Arlens schwieg eingeschüchtert, und Wedge ergriff wieder die Initiative. »Ach wo! Das ist nur ein Jux. Man
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