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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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geräuschvoller als nötig herumblätterte.
    »Siebzehn Jahre bin ich jetzt hier Pförtner«, fuhr Orten fort. »Aber so was hat es noch nie gegeben. Nie ist ein Kind verschwunden. Nie hat es einen Mord gegeben. Nichts dergleichen. In Bredgar Chambers war immer alles in Ordnung. In bester Ordnung. Ganz eindeutig.«
    »Aber es sind auch andere Schüler gestorben. Man braucht nur in die Kapelle zu sehen.«
    »Gestorben, ja. Aber ermordet? Niemals. Das ist ein böses Omen, Inspector.« Er legte eine Pause ein, um sich zu räuspern, und fügte dann vielsagend hinzu: »Ich kann nicht behaupten, daß es mich überrascht.«
    Lynley unterließ es, der Anspielung nachzugehen.
    »Nun, auch den Selbstmord eines Schülers könnte man als böses Omen betrachten.«
    Orten griff an das auf seiner Brusttasche aufgestickte Schulwappen. Er zupfte an einem Fädchen der Krone, die über dem Weißdornreis schwebte. Das Goldfädchen löste sich, Beginn der Zerstörung des Bildes.
    »Selbstmord?« fragte er. »Wollen Sie sagen, daß Matthew Whateley Selbstmord begangen hat?«
    »Keineswegs. Ich sprach von einem anderen Schüler. Wenn Sie schon seit siebzehn Jahren hier sind, müssen Sie ihn gekannt haben. Edward Hsu.«
    Orten und Elaine Roly tauschten einen Blick. Lynley konnte nicht sagen, ob Verwunderung oder Bestürzung dahinter stand.
    »Sie müssen doch Edward Hsu gekannt haben. Sie, Miss Roly? Kannten Sie ihn? Sind Sie auch schon so lange hier?«
    Elaine Roly leckte sich mit der Zunge über die Lippen. »Diesen Monat werden es vierundzwanzig Jahre, Sir. Ich hab als Küchenhilfe angefangen. Dann hab ich die Lehrer beim Essen bedient. Ja, ich hab mich langsam hochgearbeitet. Hausmutter von Erebos bin ich jetzt seit achtzehn Jahren. Und ich bin stolz darauf.«
    »Wohnte Edward Hsu auch in Erebos?«
    »Ja. Edward gehörte zu Erebos.«
    »Ein Liebling von Giles Byrne, soviel ich weiß.«
    »Mr. Byrne hat Edward in den Ferien betreut. Er tut so was schon seit Jahren. Er sucht sich immer einen Jungen aus Erebos, um ihm besondere Hilfe zu geben. Er war selbst früher in Erebos und tut gern was für das Haus. Ein feiner Mensch, Mr. Byrne.«
    »Er stand Edward Hsu sehr nahe, wie Brian Byrne mir erzählte.«
    »Ah ja, Brian erinnert sich natürlich an Edward.«
    »Sie arbeiten sicher eng mit Brian zusammen, da er ja Hausältester in Erebos ist.«
    »Eng?« wiederholte sie. »Nein. Das würde ich nicht sagen.«
    »Aber ...«
    »Brian ist nicht ganz einfach«, unterbrach sie. »Ein bißchen undurchschaubar. Ein bißchen zu bedacht darauf ...« Sie zögerte. Im Nachbarzimmer setzten die Kinder zum nächsten Gezeter an, milde noch bis jetzt, aber mit Verheißung auf Eskalation. »Aufsichtsschüler müssen auf eigenen Füßen stehen können, Inspector«, sagte Elaine Roly.
    »Und Brian kann das nicht?«
    »Hausälteste sollten nicht selbst bedürftig sein.«
    »In welcher Weise bedürftig?«
    »Nach Freundschaft. Nach Anerkennung. Immer bedacht darauf, nur ja beliebt zu sein. Das ist nicht gut bei einem Hausältesten. Wie soll so einer denn die Jüngeren führen und zu Disziplin anhalten, wenn er immer nur darauf aus ist, bei allen beliebt zu sein. Aber so ist Brian. Wenn ich was zu sagen gehabt hätte, wäre er nicht gewählt worden.«
    »Aber ist denn nicht die Tatsache, daß Brian Hausältester wurde, Beweis dafür, daß er bei gewissen Leuten große Anerkennung genoß?«
    »Es beweist gar nichts.« Orten zerschnitt mit einer schnellen Handbewegung die Luft. »Es beweist nur, daß er einen einflußreichen Vater hat und daß der Direktor springt, wenn der Verwaltungsrat pfeift.«
    Im Zimmer nebenan fiel krachend irgend etwas aus Porzellan zu Boden. Augenblickliches Geschrei folgte. Elaine Roly sprang auf.
    »Ich seh mal nach, Frank.« Sie eilte hinaus.
    Sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, bemerkte Orten: »Sie arbeitet wie ein Pferd. John Corntel hat keine Ahnung, was für eine tüchtige Person er da im Haus hat. Aber Sie sind wegen der Kleider gekommen und nicht, um sich meine Meinung über Corntel anzuhören. Kommen Sie.«
    Er führte sie aus dem Haus, und sie folgten ihm etwa fünfzig Meter die Auffahrt hinunter zu einem Seitenweg, der von Linden gesäumt war und nach rechts abzweigte. Die blaue Mütze tief in die Stirn gezogen, marschierte Orten ihnen voraus. Sie sprachen nichts. Barbara las in ihren Aufzeichnungen, unterstrich hier und dort etwas mit einem tiefen Brummen, und Lynley dachte, die Hände tief in die Hosentaschen

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