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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Mutter damals schon tot war, zog er zu mir. Seitdem hat er drei weitere Schlaganfälle gehabt, Inspector. Und ich - wir sind jetzt so lange zusammen, daß ich bei der Vorstellung, es könnte ihm etwas passieren ...« Sie brach ab und räusperte sich.
    »Wenn er weiß, daß der Junge tot ist, weiß er das Schlimmste schon«, sagte Barbara auf ihre gewohnte direkte Art.
    Jean Bonnamy schien das einzusehen. Nach einem Moment des Überlegens nickte sie langsam und sagte zu Lynley: »Lassen Sie mich zuerst allein mit ihm sprechen. Würden Sie einen Moment hier warten?«
    Nachdem sie zugestimmt hatten, eilte sie davon.
    »Wie lange will Lockwood das eigentlich noch vertuschen?« fragte Barbara Lynley, als sie allein waren.
    »Bestimmt so lange wie irgend möglich.«
    »Aber das ist doch idiotisch. Früher oder später bekommt die Presse Wind von der Geschichte, wenn das nicht schon geschehen ist.«
    »Ich glaube, es geht ihm weniger darum, die Geschichte geheimzuhalten, als darum, Bredgar Chambers unter allen Umständen herauszuhalten.«
    »Und seinen eigenen Ruf, Havers. Lockwood weiß genau, daß seine Zukunft von seinem guten Ruf abhängt. Und beide sind natürlich untrennbar mit Bredgar Chambers verknüpft.«
    »Und wenn sich herausstellen sollte, daß jemand, dem Lockwood Verantwortung übertragen hat, der Mörder ist?«
    »Dann wird es ihm vermutlich schwerfallen, dem Verwaltungsrat zu erklären, wie er einen solchen Fehler, der von einem bedauerlichen Mangel an Menschenkenntnis zeugt, machen konnte.«
    »Und dann ist er weg vom Fenster? Der erste Schulleiter von Bredgar Chambers, der nicht in den Sielen gestorben ist?«
    Lynley lächelte schwach. »Sie sagen es, Sergeant.«
    Jean Bonnamy rief sie von der Hintertür. »Bitte, Inspector, kommen Sie jetzt herein.«
    Hätte nicht schon das Äußere das Alter des Hauses verraten, die Küche hätte alles gesagt. Mit dem Eintritt in diesen Raum wurde man in eine Vergangenheit befördert, in der das Leben weder bequem noch hübsch verpackt gewesen war. Lynley hatte den Eindruck, daß Jean Bonnamy es so mochte. Der alte Kohlenofen, auf dem ein Topf mit Gemüsesuppe stand, schien das zu bestätigen. Sie blieb stehen, um einmal kurz mit einem geschwärzten Holzlöffel die Suppe umzurühren, dann führte sie die Gäste durch die niedrige Tür in das Wohnzimmer nebenan.
    Es war offensichtlich das Reich ihres Vaters. Andenken an die Jahre in Hongkong füllten den Raum: Fotografien von Dschunken im abendlich beleuchteten Hafen, eine große Sammlung geschnitzten Jades und eine zweite kunstvoller Elfenbeingegenstände, eine altertümliche Sänfte mit schwarzen Brokatvorhängen. Im großen offenen Kamin stand ein Drache, ein beeindruckendes Geschöpf mit einem Kopf aus Papiermache und einem Leib aus roter Seide, von der Art, wie sie zum chinesischen Neujahr durch die Straßen getragen werden.
    In diesem museumsgleichen Raum roch es unpassenderweise penetrant nach Hund. Der Sünder, ein kohlschwarzer Retriever mit ergrauender Schnauze und Triefaugen, lag auf einer Decke vor einem elektrischen Heizofen. Er hob nur träge den Kopf, als Lynley und Havers eintraten.
    Neben dem Hund saß, den Rücken zur Tür, Colonel Bonnamy in einem Rollstuhl. Er hatte einen niedrigen Tisch aus hellem Kirschholz vor sich, auf dem ein Schachbrett stand. Die Stellung der Figuren verriet, daß eine Partie im Gang war. Von einem Mitspieler war jedoch nichts zu sehen.
    »Hier ist der Inspector, Vater«, sagte Jean Bonnamy.
    »Und Miss Havers, seine Mitarbeiterin.«
    »Der Teufel soll sie holen«, versetzte Colonel Bonnamy. Seine Rede war völlig klar, unbeeinträchtigt von den Schlaganfällen.
    Jean Bonnamy ging zum Rollstuhl. »Ich weiß, Vater«, sagte sie liebevoll und drehte den Stuhl um, wobei sie darauf achtete, daß sie nicht an den Tisch stieß, auf dem das Schachbrett stand.
    Obwohl Jean Bonnamy sie über den Gesundheitszustand ihres Vater unterrichtet hatte, waren sie über den Anblick, der sich ihnen bot, entsetzt. Der Colonel wäre selbst als völlig Gesunder eine, freundlich ausgedrückt, ungewöhnliche Erscheinung gewesen. Haar wuchs ihm in dichten grauen Büscheln aus den Ohren. Große dunkle Sommersprossen, die fast wie verkrustete Wunden aussahen, bedeckten seinen kahlen Schädel. Er hatte eine gewaltige, knollige Nase und auf dem linken Nasenflügel eine bizarr geformte Warze.
    Krankheit hatte Bonnamy zusätzlich entstellt. Die Schlaganfälle hatten die linke Körperhälfte angegriffen; die

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