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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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es?«
    »Wie es auf Lateinisch lautet, weiß ich nicht. Er hatte sich von irgend jemandem eine Übersetzung geben lassen, und die brachte er uns«, erklärte Jean Bonnamy. »Es ging um Ehre. Er war sehr -«
    »Doch, das hatte ich vergessen, Jeannie«, unterbrach der Colonel nachdenklich. »Stab und Rute sei die Ehre.«
    »Merkwürdiges Gesprächsthema für einen dreizehnjährigen Jungen«, bemerkte Barbara.
    »Nicht für diesen Jungen«, entgegnete der Colonel.
    »Die Ehre ist ihnen im Blut. Sie ist das Herzstück ihrer Kultur.«
    Lynley wollte dieses strittige Gespräch vermeiden.
    »Wann führten Sie dieses Gespräch? Wie kam es dazu?«
    Der Colonel sah hilfesuchend seine Tochter an.
    »Wann war es, Jeannie?«
    »Vor einem Monat ungefähr? Hatten sie nicht in der Schule - in Geschichte - über Lady Jane Grey gesprochen? Daß sie für den Glauben gestorben war, für die Religion? Kamen wir nicht dadurch darauf? Ich erinnere mich, daß Matt fragte, ob du der Meinung seist, Ehre verlange, daß man das Rechte tue. Du hast ihn gefragt, wie er plötzlich auf diesen Gedanken gekommen sei, und da erzählte er von Lady Jane Grey und ihrem Entschluß, lieber zu sterben als ihre Religion zu verleugnen.«
    Der Colonel nickte bedächtig. »Ja, er wollte wissen, was wir für wichtiger hielten. Ehrenkodex oder Verhaltenskodex.«
    »Du sagtest, da gäbe es keinen Unterschied.«
    »Richtig. Aber Matthew war anderer Meinung.« Der Colonel warf einen Blick auf das Foto, das Lynley Jean zurückgegeben hatte. »Das war der Mensch der westlichen Hemisphäre, der da aus ihm sprach. Aber sein chinesisches Erbe sagte ihm, daß beides ein und dasselbe ist.«
    Lynley spürte einen Anflug von Irritation über die beständigen Verweise auf eine Herkunft, die ihm durch nichts erwiesen schien. »Und doch haben Sie mit ihm nie über dieses Erbe gesprochen. Trotz Ihrer eigenen offenkundigen Liebe zu dieser Kultur.«
    »Sowenig, wie ich mit Ihnen über Ihr nordisches Erbe spreche, dem Sie Ihr prachtvolles blondes Haar zu verdanken haben, Inspector. Wir alle tragen das Erbe anderer Kulturen in uns, ist es nicht so? Nur sind einige von uns dieser Kultur zeitlich näher als andere. Aber wir alle entstammen einer anderen Wurzel. Das akzeptieren heißt das Leben akzeptieren. Die, die das nicht annehmen können, werden die Zerstörer. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.«
    Damit betrachtete der Colonel das Gespräch offensichtlich als beendet. Lynley sah ihm an, wie anstrengend es für ihn gewesen war. Seine Glieder zitterten, die Bewegungen waren fahrig. Müdigkeit zeichnete das Gesicht. Es wäre sinnlos gewesen, weiter in ihn zu drängen. Lynley stand auf, sprach dem alten Herrn seinen Dank aus und folgte zusammen mit Barbara Jean Bonnamy hinaus. Erst als sie draußen beim Wagen standen, kam noch einmal ein kurzes Gespräch auf.
    »Eines möchte ich Sie noch fragen, Miss Bonnamy«, sagte Lynley. »Ich möchte Ihnen gewiß keinen Schmerz bereiten, ich möchte nur verstehen, wie Ihr Vater auf den Gedanken kommt, Matthew Whateley sei Chinese gewesen. Ihr Vater hat vier Schlaganfälle hinter sich. Er kann sie nicht unbeschadet überstanden haben.«
    Sie blickte an ihm vorbei zur Hecke. Drei Vögel tummelten sich in einer kleinen Pfütze davor.
    »Sie meinen, es ist alles Einbildung?« fragte sie mit einem Lächeln. »Ich wollte, ich könnte Ihnen die Sache erleichtern, Inspector. Denn es wäre doch leichter, wenn ich Ihnen einfach zustimmen würde, nicht? Aber das kann ich nicht. Ich habe selbst bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr in Hongkong gelebt. Als Matthew im vergangenen September das erste Mal zu uns ins Haus kam, sah ich auf den ersten Blick, daß er chinesisches Blut hatte. Es hat also überhaupt nichts mit Hirngespinsten meines Vaters zu tun. Selbst wenn man ihm nachsagen wollte, er sei nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, mir kann man das gewiß nicht nachsagen.« Sie rieb die ungewaschenen, erdigen Hände aneinander.
    »Aber ich wollte, ich könnte ein paar Dinge ändern.«
    »Was?«
    Sie zuckte die Achseln. Ihre Lippen zitterten, aber es gelang ihr, sich zu beherrschen, und sie sprach ganz ruhig. »Als ich ihn am letzten Dienstag in die Schule zurückbrachte, war es schon spät. Ich fuhr am Pförtnerhaus vorbei und wollte ihn eigentlich direkt zum Haus Erebos bringen, aber er bat mich, an dem Seitenweg, der zur Remise führt, anzuhalten, weil ich da leichter wenden könnte. Er sagte, er könne den Rest des Wegs zu Fuß gehen. Er

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