Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Gesichtsmuskeln waren heruntergezogen, so daß ein ständiges hämisches Grinsen seinen Mund verzerrte, und die linke Hand war zur Klaue erstarrt. Obwohl das Zimmer gut geheizt war, trug er dicke Schuhe, eine Wollhose und ein Flanellhemd. Über seinen Knien lag eine Mohairdecke.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte Jean Bonnamy.
    »Wie kommt man mit den Freiwilligen Helfern von Bredgar Chambers in Verbindung?« fragte Lynley. »Wie ich von Mr. Pitt hörte, war Matthew nicht der erste Schüler, der zu Ihnen kam.«
    »Aber der erste Vernünftige«, brummte der Colonel. Er hustete und umklammerte mit der gesunden Hand die Lehne seines Stuhls. Sein rechter Arm zitterte.
    »Mein Vater kann manchmal ein rechter Griesgram sein«, bemerkte Jean. »Doch, Vater, du brauchst es gar nicht zu bestreiten. Du weißt es ganz genau. Ich dachte, es würde ihm guttun, wenn er auch mal andere Leute sieht außer mir. Ich las am Schwarzen Brett in der Kirche von den Freiwilligen Helfern und rief daraufhin in der Schule an. Das war vergangenen Sommer.«
    »Albernes Kroppzeug alles, bis auf Matt«, fügte ihr Vater hinzu, den Kopf nach vorn gebeugt, die Augen auf seine Knie gerichtet.
    »Wir haben es mit sechs oder sieben versucht. Alle Altersklassen. Jungen und Mädchen. Mit keinem klappte es. Bis auf Matt. Er und mein Vater kamen vom ersten Moment an prächtig miteinander aus.«
    »Heute.« Die Stimme des Colonels war rauh. »Er hätte heute kommen sollen. Jeannie. Die Schachfiguren stehen noch genauso wie wir sie am Dienstag gelassen haben. Genau wie wir sie gelassen haben. Und Sie sagen ...« Er hob mit sichtlicher Anstrengung den Kopf und sah Lynley an. Er hatte graue Augen, scharf und intelligent. »Sie sagen, er wurde ermordet. Wirklich ermordet?«
    »Ja, es tut mir leid.« Lynley beugte sich vor. Neben ihm blätterte Barbara in ihrem Block. »Er wurde in Stoke Poges gefunden, Colonel Bonnamy. Nackt. Er war offensichtlich gefoltert worden.«
    Der Colonel machte sich rasch ein Bild. »Dann muß es jemand vom Lehrerkollegium gewesen sein. Ein heimlicher Perverser, der mit einem Heiligenschein rumläuft. Das glauben Sie doch, nicht?«
    »Wir wissen nicht, was wir glauben sollen. Anfangs hatte es den Anschein, als hätte Matthew aus der Schule weglaufen wollen und wäre unterwegs von einem Autofahrer mitgenommen worden, der ihn mißbrauchte und dann ermordete.«
    »Nein. Weglaufen gibt's für einen Jungen wie Matt nicht. Matt Whateley war ein kleiner Kämpfer. Nicht die Sorte Kämpfer, die sie an der Schule gewöhnt sind. Aber ein Kämpfer.«
    »Was für ein Kämpfer?«
    Colonel Bonnamy tippte sich an die Schläfe. »Einer, der mit dem Kopf kämpft.«
    »Sie scheinen zu dem Jungen eine engere Beziehung gehabt zu haben als die meisten«, sagte Lynley. »Hat er sich Ihnen anvertraut?«
    »Er brauchte sich mir nicht anzuvertrauen. Ich hab schließlich Augen im Kopf.«
    »Und Sie hatten, wie Sie sagten, den Eindruck, daß er mit dem Verstand kämpfte.«
    »Schach«, sagte der Colonel nur.
    Jean Bonnamy fand offensichtlich, die Bemerkung trüge nichts zur näheren Beschreibung des Jungen bei, denn sie sagte: »Mein Vater brachte Matt das Schachspielen bei. Und ganz gleich, wie schwer es dem Jungen fiel, wie oft mein Vater ihn besiegte, er gab nicht auf. Ich glaube, er war nicht einmal entmutigt. Er kam vergnügt und munter jeden Dienstag hier an, stellte das Brett auf und versuchte sein Glück von neuem.«
    »Und hat er Ihnen von der Schule erzählt, während er hier war und mit Ihnen spielte? Vom Unterricht? Von seinen Freunden? Und den Lehrern?«
    »Nein. Nur, daß er gute Noten hatte.«
    »Mein Vater war wegen der Noten immer hinter ihm her«, fügte Jean hinzu. »Wir haben beide mit ihm darüber gesprochen, was er später einmal werden wollte.«
    »Ich gewann den Eindruck, daß den Eltern so das traditionelle Bild vorschwebte«, sagte der Colonel, »auch wenn Matt nicht viel von ihnen gesprochen hat. Aber unser kleiner Matt war im Herzen ein Künstler. Darüber hat er mit uns gesprochen. Wenn er von der Schule sprach oder von seiner Zukunft, sprach er immer von Kunst.«
    »Mein Vater ermutigte ihn«, bemerkte Jean. »Matt hat ihm versprochen, ihm eines Tages eine seiner Skulpturen zu schenken.«
    Erste Ahnungen regten sich, während Lynley dem Colonel zuhörte. Und sie waren begleitet von dem langsamen Begreifen, daß dieser Fall sich als in einem Maß verwickelt erweisen würde, das über seine Erwartungen weit hinausging. Mit

Weitere Kostenlose Bücher