03 - Der Herr der Wölfe
Turmtreppe hinauf. Conar und die anderen folgten ihm neugierig. Von der Brustwehr blickten sie aufs dunkle Meer hinab, sahen zahlreiche Lichtpunkte - Fackeln, die eine große Flotte beleuchteten.
»Großer Gott, noch mehr Dänen!« rief Philippe.
Aber Conar schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, meine Freunde. Ragwald hat recht. Wir sind nicht mehr in der Minderheit.«
»Aber was … «, begann Philippe verwirrt.
»Meine Familie«, erklärte Conar. So wie er stets die Hilferufe seiner Verwandten erhört hatte, eilten sie jetzt herbei, um ihn zu unterstützen - obwohl keine Bitte zu ihnen gedrungen war.
Schnell kamen die Schiffe näher, und als hätte er den Himmel angefleht, lösten sich die Wolken vor dem Mond auf. Ja, da waren sie alle - sein Vater, Eric, Leith, Bryan, Bryce, seine Schwäger, Vettern und Onkel. »Lauft hinunter zum Strand und begrüßt sie, Swen!« befahl er. »Ich muss mich beeilen, um Melisande zu retten, bevor sie sich aus lauter Angst vor Geoffrey etwas antut.« Oder aus Angst vor mir, fügte er stumm hinzu. »Erzählt ihnen von meinem Plan! Sie werden wissen, was zu tun ist, denn vor kurzem befanden sie sich in ähnlicher Lage.«
Als er die Treppe hinabrannte, folgte ihm Swen. »Herr Conar, wie wollt Ihr Euch verkleiden?«
»So, wie ich am besten in die feindlichen Reihen passe«, entgegnete Conar grinsend. »Als Wikinger.«
Wenig später galoppierte er allein durch die Finsternis, während ein großes Heer an Land ging, um ihm beizustehen.
Kapitel 21
Melisande sah nichts - nicht einmal einen Schemen in der Schwärze. Nur für einen kurzen Moment war schwaches Licht hereingedrungen, als sich die Zellentür geöffnet und wieder geschlossen hatte. Nun hörte sie tiefe, schnelle Atemzüge. War Geoffrey zurückgekehrt? Nein, er hätte eine Fackel mitgebracht, um das Entsetzen in ihrem Gesicht zu lesen. Die Person, die jetzt in dem stockdunklen Raum stand, war heimlich gekommen.
»Wo seid Ihr?« Die geflüsterte Frage wurde auf Dänisch gestellt, und Melisande erschauerte. Geoffrey hatte sich mit Vergewaltigern und Dieben eingelassen, und nun wollte ihm einer die Beute stehlen.
Sie rührte sich nicht und spürte eine Bewegung, die sich von der Tür her näherte. Der Däne stieg die Stufen herab,’ schien die Anne auszustrecken, um nach ihr zu greifen. Gerade rechtzeitig duckte sie sich und fühlte einen Luftzug, als eine Hand dicht an ihrer Wange vorbeiglitt. Der Mann durchquerte den Raum, dann eilte er zu ihr zurück. Eine Ratte quiekte, direkt vor ihren Füßen. Melisande unterdrückte einen Schrei und sprang zur Seite.
Leises Gelächter erklang, das sie frösteln ließ. »Steht doch still, Gräfin Melisande!«
Lautlos wich sie zur Wand zurück. Sie hörte, wie der Mann die gegenüberliegende Mauer abtastete, und hielt den Atem an. Nun würde er den Raum umrunden und schließlich zu ihr gelangen. Und so schlich sie rasch seitwärts. Er vernahm ihre Schritte nicht, während seine Hände auf den Stein klatschten. Verzweifelt überlegte sie, wie lange das Dunkel sie noch verbergen mochte. Sollte sie zur Tür flüchten? Vielleicht war der Mann ihr Bewacher - vielleicht auch nicht und wenn sie hinauslief, würde sie sich womöglich gegen zwei Dänen wehren müssen. Ob sich das Wagnis lohnte?
Er schimpfte leise, ungeduldige Schritte durchmaßen die Zelle. Nicht weit von Melisande entfernt, öffnete er die Tür, so dass trüber Fackelschein hereinfiel, der nur Schatten und Silhouetten erkennen ließ - auch ihr eigener Schatten zeichnete sich an der Wand ab.
»Ah!« rief der Mann und sprang zu ihn Doch sie wich ihm aus und rannte zur Tür. Auf der Treppe holte er sie ein und zerrte sie zurück. Mit beiden Fäusten schlug sie nach ihm und schrie. Blitzschnell hielt er ihr den Mund zu und warf sie zu Boden. Sie biss in fleischige Finger, und er verabreichte ihr fluchend eine schallende Ohrfeige, die sie halb betäubte. Der Umhang, ihr einziges Kleidungsstück, rutschte von ihren Schultern. Auf ihrer zarten Haut spürte sie rauhen Wollstoff, grobe Hände, das schwere Gewicht ihres Angreifers. Tränen stiegen ihr in die Augen. Er richtete sich kurz auf, um die nötigen Vorbereitungen für seine Absicht zu treffen, und da trat sie mit aller Kraft zwischen seine Schenkel. Während er gepeinigt stöhnte, rückte sie zur Seite und sprang auf. Doch er folgte ihr, packte sie und zog sie an sich. Sein zischender Atem wehte ihr ins Gesicht.
Dann wurde er plötzlich weggezerrt und quer durch
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