03 - Der Herr der Wölfe
Ragwald … « Die tiefe Stille des Oberstocks dröhnte wie ein warnender Schrei in Conars Ohren. Er sprang auf, stürmte die Treppe hinauf ins Schlafzimmer.
Nirgends ließ sich Melisande blicken. Zum Teufel mit ihr! Er hatte erklärt, er würde wiederkommen. Und sie hatte entgegnet, er dürfe nicht damit rechnen, sie hier anzutreffen. »Oh, verdammt … «, flüsterte er. Hatte sie tatsächlich wieder versucht, vor ihm zu fliehen?
»Sieh doch das Bett!« rief Brenna, die ihm gefolgt war. »Es ist völlig zerwühlt! Hier muss ein Kampf stattgefunden haben.«
Sofort rannte er zum Bett und musste ihr recht geben. »Melisande!« Der Schrei schien die Nacht zu zerreißen, alle Festungsmauern zu erschüttern. Für einen Augenblick glaubte er, er könnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Aber jetzt durften ihn die Kräfte nicht verlassen.
Nun eilte auch Ragwald herein. »Sie ist nicht freiwillig weggegangen!« stieß er leidenschaftlich hervor. »Das schwöre ich!«
Conar senkte den Kopf, bekämpfte mühsam seine Wut und Angst. Jetzt musste er bei klarem Verstand bleiben. »Geoffrey«, sagte er leise, während Philippe und Gaston eintraten.
»Aber wie … «, begann Philippe.
»Die Schlacht war vorbei, überall rannten geschäftige Leute umher, und er sah mich den Turm verlassen. Da holte er Melisande.«
Gaston bekreuzigte sich mit Tränen in den Augen. »Wie sollen wir jetzt gegen ihn kämpfen?«
Entschlossen straffte Conar die Schultern und winkte Swen zu sich, der Brenna begleitet hatte. »Schickt jemanden zu den dänischen Gefangenen. Findet heraus, wohin Geoffrey meine Frau gebracht haben mag. Wählt für diese Aufgabe einen Mann, den man für einen Dänen halten könnte. Schnell!«
Swen rannte davon, und Conar ertrug es nicht, noch länger in diesem Raum zu bleiben, das Bett anzustarren, wo er Melisande erst vor kurzem geliebt hatte, und wo sie entführt worden war.
Hatte Geoffrey sie angerührt? Nichts, was der Mann ihr zuleide getan haben mochte, konnte etwas an Conars Liebe zu Melisande ändern. Aber wenn der Schurke sie verletzt hatte, sollte er eines langsamen, qualvollen Todes sterben.
Sein Blick fiel auf das vergoldete Kettenhemd, das kostbare Schwert. Nein, hier konnte er nicht bleiben. Er kehrte in die Halle zurück, wanderte auf und ab, zwang sich zur Geduld. Wie lange musste er noch warten. Sein Gefolgsmann Jute kam mit Swen zu ihm, verneigte sich und sprach hastig. »Bald werden die Dänen Paris belagern. Sie haben ein gewaltiges Heer versammelt, und Geoffrey Sur-le-Mont bezahlte sie, damit sie auch für ihn kämpfen. Sie lagern in den alten römischen Ruinen, wo Gräfin Melisande die Steine für die Instandsetzung der Mauer her holt. Dorthin hat Geoffrey sie gebracht. Es gibt da unterirdische Verliese und Grabkammern. Ein unübersichtliches Labyrinth, wo man kaum Wachtposten braucht … «
»Ich reite sofort hin«, stieß Conar hervor.
»Haben wir genug Leute?« fragte Philippe.
Aber Conar schüttelte den Kopf. »Ich werde sie allein befreien.«
»Das wäre Wahnsinn, mein Herr!« warnte Gaston erschrocken.
»Geoffrey holte Melisande allein aus der Festung, und er ging mit ihr einfach zwischen uns hindurch. Diese Taktik wandten wir neulich auch in Irland an, und er wird nicht vermuten, dass wir sie jetzt gegen ihn benutzen. Ich kenne diese Ruinen. Dort traf ich vor vielen Jahren mit meinem Onkel Graf Manon zusammen und ich ritt auch nach der Hochzeit hin. Ich erinnere mich recht gut an die Anlage und die Umgebung. « Er ging zum Tisch und stellte die Becher so auf, dass sie bestimmte Punkte markierten. »Hier ist der alte Turm. Ein unterirdischer Gang führt zu den Grabgewölben, und hier verläuft noch einer, an dessen Ende eine Vorratskammer liegt. Dort hält er Melisande wahrscheinlich gefangen. Und hier … « Er rückte noch einen Becher zurecht. »… hier müssten sich seine Männer versammelt haben, hinter dieser eingestürzten Mauer. Von dieser Stelle aus können sie die Straße im Auge behalten. Und dort, meine Freunde, müsst ihr auf mich warten und die Feinde angreifen, sobald ich Melisande befreit habe und mit ihr zurückkehre.«
»Aber wir sind in der Minderheit«, gab Gaston zu bedenken.
Ein atemloser Schrei erklang, und Conar wandte sich zur Tür, wo Ragwald stand, das weiße Haar und der Bart waren vom Wind zerzaust. Offenbar war der alte Mann draußen gewesen. »Nein, Graf Conar, ich glaube, wir sind nicht in der Minderheit!«
Hastig stieg er Melisandes
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