03 - Der Herr der Wölfe
trotz ihrer verbissenen Gegenwehr aus dem Wasser und legte sie wieder aufs Bett. Rittlings kniete er über ihr. »Deine Haut sieht schon ganz verschrumpelt aus, und das willst du doch nicht? Außerdem zitterst du wie eine Kröte im Winter.« Mit einer Fingerspitze zeichnete er ihre Lippen nach. »Ob es dir gefällt oder nicht – so wird es sein. Magst du mich noch so sehr hassen und verabscheuen, ich bleibe bei dir. « Lächelnd neigte er sich zu ihr hinab und flüsterte: »Und ich, dein Ehemann, werde von jetzt an jede Nacht zu dir zurückkehren, um mit dir zu schlafen.«
»Rechne nicht damit, dass ich dich hier erwarten werde!« schrie sie ihn an.
»Doch, damit rechne ich«, warnte er sie.
Bestürzt spürte sie Tränen, die in ihren Augen brannten, und um sie nicht zu vergießen, presse sie die Lippen zusammen. Sie wandte den Kopf zur Seite und beschloss zu schweigen, damit er sie endlich verließ.
Nach einer Weile stand er auf und ging aus dem Turmzimmer, das Schwert in der Hand. Fröstelnd ergriff Melisande die Pelzdecke, die am Fußende des Betts lag, und hüllte sich darin ein. Ihre Gedanken überschlugen sich. In dieser Nacht würde er wiederkommen, um bei ihr zu liegen, um eine richtige Ehe zu führen. Um sich zu nehmen, was ihm gehörte, um es festzuhalten.
Ein Schauer rann über ihren Rücken. Er hatte dem Allmächtigen gedankt, weil er sie nicht liebte. O Gott, bitte, lass nicht zu, dass ich ihn liebe, betete sie. Nein, das würde. niemals geschehen, gelobte sie sich.
»Ich hasse dich!« rief sie. Das war kindisch, aber sie fühlte sich plötzlich so hilflos wie ein kleines Mädchen, so allein und verloren. »Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich!« Unglücklich vergrub sie das Gesicht in den Händen. Es war die Wahrheit - und doch nicht. Sie hasste ihn, begehrte ihn, fürchtete ihn - liebte ihn. Aber zuviel stand zwischen ihnen.
Nein, nein, nein, ich liebe ihn nicht, redete sie sich ein. Schon vor langer Zeit hatte sie beschlossen, niemals solche Gefühle für ihn zu hegen.
Plötzlich zuckte sie zusammen. Sie hatte ein Geräusch in ihrem Zimmer gehört. War er schon jetzt auf lautlosen Sohlen zurückgekehrt? Erschrocken schaute sie zur Tür.
Aber es war nicht Conar, der sich ins Zimmer geschlichen hatte. Ein Schrei blieb in ihrer Kehle stecken. Geoffrey Sur-le-Mont, ihr meistgehasster Feind. Groß, schlank, mit seinem grausamen hübschen Gesicht, den haselnussbraunen Augen voller Goldflecken, dem glatten dunklen Haar. Da stand er und starrte sie an, während sie die Felldecke enger um ihren Körper zog.
Sie holte tief Atem, wollte um Hilfe rufen, aber dazu fand sie keine Gelegenheit. Blitzschnell war er zu ihr geeilt, presse seine Hand auf ihren Mund. Mit aller Kraft wehrte sie sich, aber sie war machtlos. Zwei seiner tüchtigsten Gefolgsleute standen ihm bei, Gilles und Jon de Lac.
»Bastarde!« keuchte sie, als Geoffrey ihren Mund freigab, doch im nächsten Augenblick riss er einen Streifen vom Laken und knebelte sie.
Die beiden anderen Männer holten die Felldecken, die vor dem Kamin lagen, und bevor sie Melisande darin einwickelten, fesselten sie ihr die Hände auf den Rücken.
Gilles warf sie über seine breite Schulter, und Geoffrey kicherte leise, als er ihre Haare packte, ihren Kopf hochhob und ihrem Blick begegnete. Ach sagte, ich würde dich besitzen, Melisande, und jetzt ist es soweit. Auch diese Festung wird mir gehören, das schwöre ich bei Gott!«
Er ließ sie los, und sie schüttelte heftig den Kopf. Nachdem er den Knebel ein wenig gelockert hatte, würgte sie hervor: »Er wird dich töten!«
»Ah, glaubst du das? Vorhin belauschte ich einen Teil eures Gesprächs. Er wird wohl kaum vermuten, du wärst entführt worden, liebste Melisande. Immerhin hast du gedroht, du würdest nicht auf ihn warten -und er weiß nur zu gut, wie sehr du seine Gesellschaft verabscheust. Wenn er dann endlich merkt, dass du dich nicht freiwillig entfernt hast, wird es zu spät sein.«
»Niemals wird es euch gelingen, mich aus diesem Schloss zu schaffen!« zischte sie.
»Oh doch. Meine dänischen Freunde gleichen den nordischen Kriegern des Wolfs. Wir werden einfach so tun, als wären wir betrunken, und uns zwischen ihnen hindurchschlängeln. Auch wir beide werden feiern, Melisande, und nachholen, was schon vor Jahren hätte geschehen müssen.«
»Er wird dich in Stücke reißen, Geoffrey … «
»Allerdings!« fiel Gilles ihr ins Wort und schaute sich nervös um. »Wir müssen
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