03 Die Auserwählten - In der Todeszone
gegen die Wand des nächsten Gebäudes krachte. Thomas sah mit sprachlosem Grauen, wie der Mann in sich zusammensackte und auf die Seite fiel.
Der Kugelhagel hörte mit einem Schlag auf. Thomas saß wie erstarrt da und wartete darauf, als Nächster erschossen zu werden. Er hörte den durchgehenden Brummton des Gleiters, der direkt neben seiner offenen Autotür schwebte, und ihm wurde klar, dass der Angriff von der Polizeimaschine gekommen war: Sie war zwar unbemannt, aber schwer bewaffnet. Auf dem Dach hatte sie einen Lautsprecher, aus dem jetzt eine Stimme drang.
»Steig sofort aus, Thomas.«
Thomas fuhr zusammen. Diese Stimme war unverwechselbar.
Es war Janson. Der Rattenmann.
Thomas konnte es einfach nicht fassen. Erst zögerte er, doch dann stieg er schnell aus dem Auto. Die Polizeimaschine schwebte nur wenige Meter von ihm entfernt. An der Seite war die Außenverkleidung geöffnet, und ein Bildschirm hatte sich ausgeklappt. Und von dem starrte ihm Jansons Wieselgesicht entgegen.
Thomas war erleichtert. Rattenmann saß nicht persönlich in der Polizeimaschine – es war nur ein Live-Video. Thomas vermutete, dass der Mann ihn über eine Kamera ebenfalls sehen konnte. »Was war das denn?«, fragte er, immer noch wie betäubt. Er versuchte den Blick von dem blutüberströmt am Boden liegenden Mann abzuwenden. »Wie haben Sie mich gefunden?«
Janson blickte so säuerlich drein wie immer. »Tja, das hat einiges an Mühe erfordert, das kannst du mir glauben. Und eine Menge Glück. Gern geschehen übrigens. Ich habe dich gerade vor diesem Kopfgeldjäger gerettet.«
Thomas lachte bitter auf. »Die werden doch eh von Ihnen bezahlt. Was wollen Sie?«
»Thomas, ich will ganz offen mit dir sein. Wir sind nur deswegen noch nicht nach Denver gekommen, um dich dort einzusammeln, weil dort eine astronomisch hohe Ansteckungsgefahr besteht. Dies ist die sicherste Methode, um dich zu kontaktieren. Ich bitte dich dringend, zu uns zurückzukehren und die Versuchsreihe abzuschließen.«
Thomas hätte am liebsten laut losgeschrien. Warum sollte er zu ANGST zurückkehren? Aber der Angriff auf das Rothemd – dessen Leiche wenige Schritte entfernt lag – war abschreckend genug. Er musste es schlau angehen. »Und warum soll ich zurückkommen?«
Jansons Gesicht war ausdruckslos. »Unsere gesammelten Daten haben ergeben, dass es nur einen besten Kandidaten gibt. Und dieser Auserwählte bist du. Wir brauchen dich, Thomas! Alles hängt jetzt von dir ab.«
Du kannst mich mal , dachte Thomas. Aber wenn er das laut sagte, würde er Rattenmann nie loswerden. Also blickte er nachdenklich drein, tat so, als würde er es überdenken, und meinte: »Ich überleg es mir.«
»Das wirst du sicherlich tun.« Rattenmann legte eine wohl kalkulierte Pause ein. »Es gibt etwas, das ich dir nicht vorenthalten will. Ich glaube, du solltest es wissen, weil es deinen Entscheidungsprozess beeinflussen wird. Du wirst erkennen, dass du das, worum wir dich bitten, tun musst.«
Thomas lehnte erschöpft an der abgerundeten Motorhaube des Pkws – die Ereignisse des Tages hatten ihm seelisch und körperlich ziemlich zugesetzt. »Was?«
Das Gesicht des Rattenmannes wurde noch spitzer und rattenartiger, als freue es ihn, schlechte Nachrichten zu überbringen. »Es geht um deinen Freund Newt. Er steckt leider in sehr großen Schwierigkeiten.«
»Was für Schwierigkeiten?«, fragte Thomas. Ihm drehte sich der Magen um.
»Du weißt, dass er Den Brand hat, und die ersten Auswirkungen hast du ja bereits an ihm erlebt.«
Thomas nickte. Mit einem Schlag fiel ihm auch wieder die Notiz in seiner Tasche ein. »Ja.«
»Tja, die Krankheit scheint bei ihm sehr schnell fortzuschreiten. Da ihr bereits vor einigen Tagen Anzeichen von unkontrollierter Wut und Konzentrationsverlust bei ihm erlebt habt, heißt das, dass er sehr bald in ein Stadium des Wahnsinns abdriften wird.«
Thomas hatte das Gefühl, eine eiserne Faust würde ihm das Herz zusammendrücken. Dass Newt nicht immun war, hatte er akzeptiert, aber er hatte gedacht, dass es noch Wochen oder Monate dauern würde, bevor es richtig schlimm wurde. Und doch hatte Janson wahrscheinlich Recht – und Newts Ende würde durch all den Stress und die Anstrengungen bedingt viel zu schnell kommen. Und in dem Zustand hatten sie ihn außerhalb der Stadt im Berk allein gelassen!
»Du kannst ihn noch retten«, sagte Janson leise.
»Macht Ihnen das hier eigentlich Spaß?«, fragte Thomas. »Man hat manchmal das
Weitere Kostenlose Bücher