03 - Feuer der Liebe
Export von Gütern nach China ein Vermögen gemacht. Manche behaupten, er
sei an den ersten Opiumlieferungen in dieses Land beteiligt gewesen. Ich
persönlich glaube das nicht.«
»Warum mischt er sich jetzt in die
Politik der Holkar ein?«
»Tukoji Raos Erbe ist Jerninghams
Neffe, und zwar durch dessen erste Frau. Der Junge wurde im Haus der
Jerninghams aufgezogen, zusammen mit der Tochter.«
»Diese Verbindung erklärt nicht,
warum Jerningham den Jungen, der offensichtlich der Thronerbe ist, heimlich
fortschaffen würde.«
»Man sagt, Jerningham hege so
bittere Gefühle gegen die Ostindienkompanie, dass er alles tun würde, um ihr
das Leben schwer zu machen.« Breksby warf einen flüchtigen Blick auf die
goldene Uhr, die an seiner Weste hing. »Ich freue mich darauf, die Situation
ausführlich mit Ihrem Vater zu bereden. Wie ich schon sagte, möchte ich ihm
außerdem zu der bevorstehenden Vermählung Ihres Bruders gratulieren.«
Nachdem Breksby aufgebrochen war,
starrte Quill noch eine Weile auf die geschlossene Tür seines Arbeitszimmers.
Plötzlich stieß er ein kurzes Lachen aus. Quill kannte Gabby zwar noch nicht
lange, aber er war sich sicher, dass sie ihren Vater treu unterstützen würde —
und dass sie sich aus einer brenzligen Situation herauslügen konnte, ohne mit
der Wimper zu zucken. Vielleicht hatte Breksby, der gerissene alte Fuchs,
endlich einen ebenbürtigen Gegner gefunden.
Kapitel 4
Am nächsten Morgen reckte und streckte sich Gabby
genüsslich. Zum ersten Mal seit Monaten wachte sie nicht in einer engen Koje
auf und spürte auch nicht das Auf und Ab der Wellen unter sich. Sie hatte am
Abend zuvor die Vorhänge offen gelassen und blasses Sonnenlicht strömte durch
die Fenster. Draußen hörte sie eine Lerche singen. Zumindest nahm sie an, dass es sich um eine Lerche handelte. Die Gedichtbände ihres Vaters waren voller
Lerchen gewesen, die in englischen Gärten sangen.
Sie war voller Zweifel und Sorgen
angesichts ihrer bevorstehenden Heirat ins Bett gegangen, aber nun im
morgendlichen Sonnenlicht fasste sie wieder Mut. Das Abendessen war eine steife
Angelegenheit gewesen, bei der Peter sie ausführlich über die Mitglieder der
königlichen Familie informiert hatte. Und er hatte vollkommen Recht, sie darauf
hinzuweisen, dass ihre Erziehung in dieser Hinsicht völlig vernachlässigt
worden war. Offensichtlich war Prinny — wie Peter den Prinzen von Wales nannte
— sehr wichtig für ihren zukünftigen Gatten, und sie hatte sich vorgenommen,
Interesse für die Angelegenheiten der Krone zu entwickeln. Sie fand die
Abenteuer von diesem Prinny ein wenig ... nun, ein wenig langweilig, aber ihre
Gefühle standen ja nicht zur Debatte.
Wichtig war nur, dass Peter wirklich
bezaubernd war. Sie hatte ihn verstohlen beobachtet, während er ihr die
Verbindung der königlichen Familie mit der deutschen Aristokratie erklärte, und
sie fand ihn faszinierend. Seine Haut war weiß wie Elfenbein. Sie hatte noch
nie einen Mann wie ihn gesehen. Sogar die Engländer, die den Palast ihres
Vater besucht hatten, waren allesamt von der indischen Sonne gebräunt. Sein
Haar hatte die Farbe von weichem Haselnussbraun und es fiel ihm in
wohlgeordneten Locken in die Stirn.
Gabby sprang aus dem Bett und trat
ans Fenster. Es war Anfang November, und der Garten hätte nach allem, was sie
gehört hatte, verwelkt und braun aussehen müssen. Man hatte ihr von dem Winter
in England erzählt, davon, wie der Wind über die Ebenen pfiff und einem
monatelang der eisige Regen ins Gesicht peitschte. Davon, dass Menschen in
Schneewehen einschliefen und niemals wieder aufwachten, von Eiskugeln, die so
groß wie Mangos waren und ohne Vorwarnung die Dächer der Häuser zerstörten. Die
indischen Diener kannten unzählige Geschichten über den englischen Winter,
Geschichten, die das blutrünstige, steife und habgierige Naturell der Engländer
erklärten. Es lag an der Kälte, hatten sie ihr erklärt.
Aber hier — der Garten war
bezaubernd, voller goldener und rubinroter Blätter und rötlich brauner
Apfelbäume. Es sah gar nicht kalt aus. Gabby strich sich ihr schweres Haar nach
hinten und lehnte den Kopf gegen die Scheibe. Der Tag war gerade erst
angebrochen und im Haus war es vollkommen ruhig. Es konnte nicht später als
fünf Uhr in der Früh sein. Sie lauschte einen Moment lang, aber es war kein
Geräusch zu hören, weder leises Stimmengewirr noch Schritte.
Sie könnte für einen Augenblick nach
draußen laufen und niemand
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