03 - Feuer der Liebe
jungen Damen der feinen Gesellschaft die
französische Kleidermode zu schnell kopiert hatten. Auch Madame Carême wurde
scharf kritisiert.
In den Klubs der Männer war man sich
ebenfalls einig, und zwar darüber, dass Peter Dewland einer der glücklichsten
Männer von London war. Die gleiche Meinung hatte man in der Vergangenheit
bereits über Patrick Foakes, den Herzog von Gisle, geäußert und so wurde dessen
Glück diesmal kaum erwähnt.
Kapitel 10
Quill starrte in den Kamin und kam sich
vor wie ein dem Untergang Geweihter. Er hatte die Grenzen des Anstands
überschritten. Er hatte jedes Anrecht auf die Bezeichnung Gentleman verloren.
Er hatte die Braut seines Bruders nicht nur auf die Arme genommen und sie vor
den neugierigen Augen halb Londons davongetragen, sondern sie später auch noch
...
Ja, später.
Er seufzte und streckte sein Bein
aus. Erstaunlicherweise schien es ihm nichts auszumachen, dass er Gabby quer
durch Lady Festers Haus zur Kutsche getragen hatte. Als er sie im Anschluss
auf den Polstern des Gefährts absetzte, hatte er sie lediglich nach Hause
bringen wollen. Doch dann war sie in Tränen ausgebrochen.
Zuerst hatte er gar nicht verstanden,
was sie sagte, doch dann hörte er aus ihren wirren Worten eine traurige
Wahrheit heraus, der er leider nur zustimmen konnte.
»Er wird mich niemals lieben!«, rief
Gabby schluchzend. »Peter hat mich mit der gleichen Verachtung angesehen, die
mein Vater — die mein Vater ...« Wieder wurden ihre Worte völlig
unverständlich.
Bei so viel weiblichem Elend fühlte
sich Quill völlig hilflos. Ungelenk zog er ihren Kopf an seine Brust und
tätschelte ihr den Rücken. Aber im Grunde tätschelte er nur seine Jacke, die
sie immer noch trug, und er konnte nicht sagen, ob sie seine Berührung durch
den dicken Stoff überhaupt spürte.
Dann hob Gabby den Kopf und blickte
ihm direkt in die Augen. »Peter wird mich niemals so lieben wie ich ihn, nicht
wahr, Quill?«
Sein Herz setzte einen Schlag aus.
»Das kommt darauf an, auf welche Art Sie ihn lieben«, erwiderte er schließlich.
Dabei war er sich sehr wohl bewusst, dass sein pedantischer Tonfall der
Situation nicht angemessen war.
»Ich liebe ihn«, schluchzte Gabby.
»Ich liebe sein ... ich liebe sein Bild, und ich hätte nicht gedacht, dass er
mich einmal so vorwurfsvoll ansehen würde. Aber das tut er! Und er wollte mich
nicht küssen, obwohl ich es mir so sehr gewünscht habe. Wahrscheinlich würde
mich jeder Mann so ansehen, aber ich kann es nicht ertragen, denn ich dachte,
Peter wäre, wäre ...« Sie brach erneut in lautes Schluchzen aus und ließ sich
wieder gegen seine Brust sinken.
Quill wurde aus ihrer Erklärung
nicht schlau. Doch er entnahm ihren Worten, dass Gabby Peter küssen wollte.
Natürlich wollte sie das, denn schließlich liebte sie ihn. Sie würde ihn sogar
heiraten.
»Ich bin sicher, dass Peter Sie
küssen will«, sagte Quill, der sich mit diesen Worten in die dunklen Abgründe
von möglichen Unwahrheiten wagte.
»Nein, das will er nicht! Wir gingen
auf den Balkon hinaus, und als ich ihn küsste, stieß er mich von sich! Er hat
sehr heftig reagiert«, fügte sie hinzu.
»Peter besitzt einen ausgeprägten
Sinn fürs Schickliche«, erwiderte Quill. Es war also nicht so schlimm, wie er
geglaubt hatte. »Peter würde niemals eine Frau auf einem Ball küssen.«
»Warum nicht? Dieses Ekel namens
Barlow hat es doch auch versucht.«
»Weil Peter großen Wert auf Etikette
legt«, erwiderte Quill lahm. Er wünschte sich sehnlichst, dass noch jemand bei
ihnen in der Kutsche wäre. Wo steckte Lady Sylvia? Diese Unterhaltung
verlangte nach dem Einfühlungsvermögen einer Frau.
»Das glaube ich nicht«, flüsterte
Gabby. Sie beruhigte sich langsam und nur noch gelegentlich brach ein leiser
Schluchzer hervor.
Quill nahm sein großes
Leinentaschentuch hervor und trocknete ihr Gesicht. Die Tränen hatten ihren
Lippen eine tiefrote Farbe gegeben und das trug nicht zu seinem inneren
Gleichgewicht bei.
»Ich glaube nicht, dass Peter mich
überhaupt küssen möchte.« Die erlittene Zurückweisung in ihrer Stimme versetzte
seinem Herzen einen Stich. »Ich werde einen Mann heiraten, der mich nicht
einmal küssen möchte.«
»Ihre Schlussfolgerungen sind
unlogisch«, ermahnte Quill sie. »Nur weil Peter einen ausgeprägten Sinn für das
Schickliche besitzt, heißt das noch lange nicht ...«
»Es hat ihm keine Freude gemacht,
mich zu küssen«, erwiderte Gabby bestimmt. »Das habe ich sehr wohl
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