03 - Geheimagent Lennet und die Saboteure
Programm?«
»Vormittags sehen wir uns an der Themse um und machen einen Besuch im Parlament; nach dem Essen besichtigen wir das Britische Museum.«
»Gut. Also passen Sie auf, Clarisse: Baby-Chou wird wieder versuchen, im Museum zurückzubleiben. Lassen Sie ihn ganz in Ruhe. Sie bringen wieder Ihre Schafe in den Stall - und dann rufen Sie sofort Papa Youyou an, er solle sich den Burschen mal vorknöpfen und ihn verhören, klar? Sie selbst, Clarisse, gehen aber bitte nicht hin!«
»Wie soll ich das Ganze verstehen?« fragte die Engländerin und rückte im Wagen ein kleines Stück von Lennet weg. »Wenn meine Leute Pouillot ausfragen - was nutzt das Ihnen?«
»Fragen Sie mich bitte nicht", antwortete der Franzose, »das ist eine Sache, die zunächst nur mich allein angeht. Ich verspreche, daß ich Ihnen nichts von dem verheimlichen werde, was ich meinerseits in Erfahrung bringe.«
»Wollen Sie vielleicht bei dem Verhör dabeisein?«
»Nein, keineswegs!«
»Ja, warum denn nicht?«
»Weil die Vernehmung von Baby-Chou ergebnislos verlaufen wird.«
»Und was geschieht dann?« bohrte die Engländerin weiter.
»Bitte, Clarisse, tun Sie, worum ich Sie gebeten habe, ja? Sie werden ganz bestimmt bald begreifen, was damit bezweckt ist.«
Wieder ein Sprengstoffanschlag!
Obwohl sie nur wenige Stunden geschlafen hatte, wirkte Clarisse am nächsten Morgen entspannter als sonst.
»Meine Damen und Herren", sagte sie nach der Abfahrt des Busses ins Mikrofon, »wir werden uns heute vormittag im Gebiet der Themse umschauen. Unser erstes Ziel ist die große Brücke, die sich bekanntlich öffnen läßt, um die stromaufwärts fahrenden Schiffe durchzulassen.«
Die große Londoner Brücke über die Themse
Lennet streckte einen Finger hoch und fragte mit lammfrommem Gesicht: »Und wie ist es mit den Schiffen, die stromabwärts fahren?«
Miß Barlowe zuckte mit den Schultern und warf dem Franzosen einen Blick zu, der nicht gerade böse war: sie hatte sofort erkannt, daß Lennet aus taktischen Gründen wieder mit seiner komischen Tour anfangen wollte.
Der Autobus blieb an einem Uferdamm stehen. Ein kleines Ausflugsboot wartete bereits auf die Touristen. Nachdem es abgelegt hatte, setzte Clarisse ihre Erklärungen fort: »Am Ende der sogenannten ,Victorianischen Zeit' erbaut, ist die große Londoner Brücke...«
»Entschuldigen Sie", fiel Madame Simonetti Clarisse ins Wort, »ich sehe, daß die Brücke aus zwei Teilen besteht, aus einer oberen und einer unteren Hälfte.«
»Ganz recht - und der untere Teil läßt sich nach oben zu öffnen.«
»Ich nehme wohl an", fuhr die Dame mit den üppigen Körperformen fort, »daß der obere Aufbau als Rundengang gedient hat und die Bogenschützen einst dort hinaufgestiegen sind, um die Feinde mit siedendem Öl zu übergießen.«
»Genau, Madame", erwiderte Clarisse höflich, »sie haben das auch mit geschmolzenem Blei gemacht.« Bei diesen Worten warf die junge Engländerin Lennet ein kleines, verschmitztes Lächeln zu.
Als man auf der Höhe der Anlegestelle von Westminster war, mußte Clarisse wieder dies und jenes näher erklären. Die Touristen, unter ihnen besonders »Boxer" Kaul, bekundeten vor allem ihr Interesse am Gebäude von Scotland Yard, dem Nervenzentrum des britischen Polizeidienstes.
Die Gruppe ging an Land und zog zum Parlamentssitz.
Während der Besichtigung dort ging das Spielchen zwischen Clarisse und Lennet munter weiter:
»Es gibt hier im Parlament zwei verschiedene Kammern", erläuterte die junge Engländerin. »Die obere Versammlung heißt ,House of Lords' oder einfach ,Oberhaus' und spielt keine bedeutende Rolle mehr. Der größte Teil der Herren erscheint überhaupt nicht zu den Sitzungen. Die untere Versammlung nennt sich ,House of Commons' oder ,Unterhaus' und ist sozusagen die Vertretung der Bürgerschaft. Ein Teil der Abgeordneten zählt sich zur ,Gentry', gewissermaßen dem kleinen Adel...«
»Moment mal!« unterbrach Lennet, »das versteh ich nicht. Die weniger bedeutende Kammer schafft die ganze Arbeit allein? Da komm ich nicht mit.«
»Mag sein, Monsieur Martin, aber das ist nun einmal so.«
Den ganzen Vormittag hindurch benahm sich Baby-Chou unauffällig und blieb stets im Hintergrund. Miß Barlowe hatte nicht ein einziges Mal Grund, ihn zurechtzuweisen.
Lennet ging in der Mittagspause schnell etwas essen und rief dann William Beauxchamps an.
»Hallo, Billy...?«
»Bin am Apparat.«
»Hören Sie bitte zu: Würden Sie feststellen
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