03 Göttlich verliebt
nicht mehr so sein wie vorher. Nicht wirklich. Als sie auf die Leiter stieg und zu hämmern begann, erkannte sie, dass manche Dinge immer ein bisschen kaputt blieben – auch nachdem man sie repariert hatte.
In diese Gedanken versunken, bekam sie nicht mit, dass hinter ihr jemand aufgetaucht war.
»Weißt du was? Wenn dieses Brett noch ein bisschen krummer wäre, würde es auf der anderen Seite wieder herauskommen und dann pfeilgerade sein«, bemerkte Orion, der auf dem Bürgersteig stand und so tat, als wäre er total hingerissen von der schlechten Arbeit, die sie beim Festnageln der Bretter ablieferte. »Bist du betrunken?«
Helens Schultern bebten vor Lachen. »Nein! Ich habe so was noch nie gemacht!«
»Wie man sieht.« Er grinste zu ihr hoch und bedeutete ihr, von der Leiter zu steigen. Lachend stieg sie hinunter und stellte sich neben ihn. »Beide Daumen noch dran?«, fragte er und inspizierte ihre Hände. »Lass das lieber den Profi machen.«
»Profi? Du?« Helen bezweifelte nicht, dass er das konnte. Sie hatte einen Blick in seine Brieftasche geworfen, als sie einmal versehentlich seine Jacke behalten hatte, und dabei gesehen, dass er schwere Baumaschinen bewegen durfte.
»Ich habe auf ein paar Baustellen gearbeitet. Häuser gebaut«, sagte er mit einem aufgesetzten Lächeln, als hätte er viel mehr getan als nur das.
»Schmuckdesigner, Hausbauer … Du bist ziemlich vielseitig«, sagte sie und lächelte zu ihm auf.
»Klar. Vielseitigkeit bringt Kohle«, verkündete er mit einem Grinsen.
»Hey, du bist doch ein Sohn von Aphrodite. Du hättest doch auch den einfachen Weg gehen können. Mit deinen hübschen Lippen hättest du eine reiche Frau betören und sie dazu bringen können, dass sie sich so unsterblich in dich verliebt, dass sie dir unbedingt eine Diamantenmine oder so was schenken will.« Helen schmunzelte und war beeindruckt davon, wie Orion seine Fähigkeiten herunterspielte – und zwar nicht nur seine Begabungen als Scion. »Aber das hast du nicht getan. Du arbeitest lieber für dein Geld.«
»Für die ganzen fünf Dollar«, bestätigte er und verdrehte die Augen.
»Mit ehrlich verdientem Geld kann man nicht mehr kaufen als mit unehrlichem, aber es ist trotzdem mehr wert. Vor allem für mich«, versicherte sie ihm ernsthaft. Er meisterte sein Leben aus eigener Kraft, genau wie ihr Dad, und das respektierte sie sehr, denn seine Würde war etwas, das er sich verdient hatte, und nichts, mit dem er geboren worden war.
»Hey, Orion? Zieh du die Hosen an, schnapp dir das Mädchen und schlepp sie weg wie ein Mann!«, brüllte Hector aus dem Laden. Orion verzog das Gesicht. Er und Helen tauschten einen betretenen Blick.
»Die Höhlenmenschmethode«, wisperte er Helen mit Verschwörermiene zu. »Nicht mein Stil.«
»Ach, Hector. Unser freundlicher Neandertaler«, erwiderte Helen leise. Die beiden steckten die Köpfe zusammen und kicherten.
»Knutsch, knutsch, knutsch«, johlte Hector, der sie durch die Schlitze zwischen den krummen Brettern beobachtete.
»Darf ich dich künftig zu all meinen Verabredungen mitnehmen?«, fragte Orion Hector und klatschte mit gespielter Begeisterung in die Hände.
»Klar, Kumpel! Ich sag dir genau, was du tun musst«, antwortete Hector mit einem hinterhältigen Grinsen. »Also, erst mal schnappst du dir das Mädchen und packst es am …«
»Und genau deswegen bin ich so froh, dass Testosteron nicht ansteckend ist«, sagte Helen laut und schnitt Hector damit das Wort ab. Sie schob Orion zur Leiter, damit er das Chaos, das sie hinterlassen hatte, in Ordnung brachte, und ging in den Laden, um Hector beim Saubermachen zu helfen.
Irgendwie schafften sie es trotz ihrer Alberei, den Laden zu vernageln, durchzufegen und von allen verderblichen Waren zu befreien. Gelegentlich stieß Helen auf persönliche Dinge – eine krumme Makkaroni-Skulptur aus ihrer Grundschulzeit, auf der »Daddy, ich liebe dich« stand, ein scheußliches, tonnenschweres Gefäß, das sie im Töpferkurs in der Oberstufe gemacht und Kate geschenkt hatte, und ein paar Pokale für den zweiten Platz beim Querfeldeinlauf.
Aber das Schlimmste waren die Fotos. Sie konnte es kaum ertragen, die zerschlagenen Rahmen und das zerbrochene Glas zu sehen, das die Bilder verkratzt und damit zerstört hatte. Einige der Aufnahmen hatten schon im Laden gehangen, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Sie war jeden Tag an ihnen vorbeigegangen, und als sie sie nun in den Müll warf, wusste Helen, dass
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