03 Göttlich verliebt
mir keine neuen Fähigkeiten entdeckt und ich denke, Orion wohl auch nicht, sonst hätte er es mir erzählt, als wir zusammen heilten. Aber du hast anscheinend von jedem von uns etwas abbekommen. Von Orion die Fähigkeit, Herzen zu kontrollieren, und von mir die Begabung, Lügen zu erkennen.« Er legte den Kopf schief. »Vielleicht war es sogar noch mehr als das«, murmelte er nachdenklich. Helen sah ihn erwartungsvoll an.
»Du findest wirklich alles heraus«, stellte sie bewundernd fest.
»Du hast herausgefunden, aus welchem Fluss die Furien trinken mussten, nicht ich.«
»Ja, aber du hast dabei geholfen. Das tust du immer.« Helen, die die paar Zentimeter kalter Luft zwischen ihnen plötzlich unerträglich fand, rutschte dichter an ihn heran, obwohl ihr jetzt erst peinlich bewusst wurde, dass sie beide nur Unterwäsche trugen.
Seine nackten Schultern beugten sich über sie und sein Mund befand sich jetzt auf der Höhe ihres Mundes. Ihr neues Können erlaubte Helen einen Blick auf die goldenen Wolken, die aus seiner Haut kamen, und auf das warme Glühen tief in seinem Bauch. Lucas griff nach ihr, die Lippen leicht geöffnet und mit geschlossenen Augen.
Doch dann hörte er plötzlich auf. Der wundervolle goldene Dunst, der sie beide einhüllte, gefror in der Luft, verfestigte sich und fiel in Scherben auf den Boden. Lucas’ leuchtend blaue Augen verdunkelten sich, als der Schatten in ihnen wieder aufzog und das strahlende Licht erstickte.
»Deswegen solltest du zu mir kommen und mit mir reden, wenn du etwas nicht verstehst, Helen«, sagte Lucas mit belegter Stimme und zog sich zurück. »Was zwischen dir und Orion auch passiert, ich werde immer da sein, um dir zu helfen, wenn du ein Problem hast. Auch wenn das bedeutet, dass ich mir vorher ein paar Treffer einfangen muss.« Er wandte den Kopf ab und wischte sich das Blut von der Stirn.
»Tut es sehr weh?« Helen schluckte und musste sich zurückhalten, um nicht die Hände auszustrecken und die Wunde zu berühren – oder vielmehr, die Hände auszustrecken und ihn damit an sich zu ziehen.
»Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Nicht verglichen mit allem anderen.«
Helen blieb noch lange im Ring, nachdem Lucas gegangen war. Allmählich wurde ihr kalt, weil sie nur in Unterwäsche auf der Matte saß. Schließlich zwang sie sich, aufzustehen und sich auf die Suche nach ihrer Kleidung zu machen. Mit der Jeans in der Hand schaute sie nach ihrem Hemd, als sie hörte, wie die Tür aufging.
»Wieso bist du praktisch nackt?«, rief Hector vom oberen Treppenabsatz.
Helen zuckte nicht zusammen und es war ihr auch nicht peinlich. Schließlich war es nur Hector, der wie üblich im falschen Moment auftauchte, um sie zu ärgern. Mittlerweile verstand sie auch, wieso sie sich ständig stritten, einander aber doch gernhatten. Hector war jedoch nicht so etwas wie ein Bruder für sie – und so hatte sie es auch nie empfunden.
Vor mehr als einer Ewigkeit waren sie beide verheiratet gewesen, und obwohl Helens Erinnerungen bruchstückhaft waren, wusste sie doch, dass es sich trotz beiderseitiger Bemühungen um keine glückliche Ehe gehandelt hatte. Es hatte sich angefühlt, als wäre man mit Handschellen an jemanden gekettet, den man zwar liebte, der einen aber auch furchtbar nervte.
»Lucas und ich haben gekämpft«, sagte Helen, weil es vermutlich einfacher war, es geradeheraus zu sagen, statt sich von ihm verhören zu lassen. Hector kam die Treppe herunter, als Helen gerade ihre Jeans hochzog.
»Aha. Und deine Klamotten konnten das liebeskranke Gezicke nicht mehr hören und sind deshalb von deinem Körper gehüpft und weggerannt?«
Helen musste lachen. »Nein. Wir haben uns zur Abwechslung mal wirklich geprügelt, statt nur mit Worten aufeinander loszugehen.« Sie deutete mit einem Kopfrucken auf den Käfig und zog gleichzeitig den Reißverschluss ihrer Jeans hoch.
»Komisch, dass du gar nicht ramponiert aussiehst. Zerzaust ja, aber verprügelt? Nein«, bemerkte er, hob eine Braue und hielt Helen ihren dunklen Pullover mit dem V-Ausschnitt hin. Sie ignorierte seine anzügliche Bemerkung, streifte erleichtert ihren warmen Pullover über und sah Hector dann prüfend an.
»Und wie geht es dir?«, fragte sie spitz.
Hector zuckte nur mit den Schultern, wendete sich ab und ging auf einen der Sandsäcke zu. »Mir geht’s gut. Ich weiß gar nicht, wieso du und Orion so ein Theater wegen Andy macht.«
»Du bist ein Idiot«, warf Helen ihm freundlich an den
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