03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Gewohnheit, auf meinen Schoß zu springen, wenn ich draußen saß.
Obwohl sie so schön wärmte, musste ich sie sanft hinunterschubsen. Sie war zu schwer geworden. Ich saß kaum, als Mama Bisi mir mit einem heißen, duftenden Tee folgte, den sie mir reichte.
Nichts an Bisi erinnerte daran, dass sie einst in einem Harem gelebt hatte.
Die weiße Kleidung hatten sie und Ada gemeinsam mit mir vor über einem Jahr abgelegt. An diesem Abend trug sie ein buntes T-Shirt mit einem roten Herzen darauf und ein geblümtes Tuch als Rock. Sie wirkte wie das, was sie war: eine Farmerin. „Du weißt über die Sache mit Lape Bescheid?“, fragte sie.
„Ich habe Magdalena noch nicht darauf angesprochen, Bisi. Ich wollte wissen, wie es dazu gekommen ist. Amara hat sie wohl zuvor nicht gefragt?“
Und auch nicht Bisi, unsere respektierte Älteste, die in solchen Fragen eigentlich das letzte Wort gehabt hätte, wie ich nun hörte. „Nein, sie hat Lape einfach ins Auto gesetzt und ist mit ihr nach Jos gefahren. Ada und ich wollten Magdalena aufhalten. Es war ein trauriger Augenblick für uns alle. Amara war wie versteinert. Denn damit hatte sie nicht gerechnet. Doch deine Schwester meinte, dass die westliche Medizin Lape besser helfen würde.“
Aus Amaras Brief hatte ich allerdings herausgelesen, dass es ihr nicht besser ging! Ich beschloss, mir eine eigene Meinung zu bilden, und schlug vor: „Ich würde gern morgen zu Lape fahren.“
„Ich werde mitkommen. Lape freut sich immer, wenn sie mich sieht. Aber du musst dich auf eine böse Überraschung gefasst machen. Es geht ihr wirklich nicht gut.
Ich bete immer noch dafür, dass Magdalenas Entscheidung richtig war.“
Eingedenk meines eigenen Ringens mit Patty fragte ich: „Warum hat Magdalena nicht auf dich gehört?“ Kannte sie denn keinen Respekt vor Bisis natürlicher Autorität als unsere Älteste?
„Ach, meine Kleine, das ist nicht so sehr der Fehler deiner Schwester. Wie deine Mutter ist sie eine weiße Frau. Auch Lisa habe ich immer vertraut, dass sie das Richtige tut. Ich konnte mich nicht gegen sie durchsetzen.“ Sie sah mich liebevoll an. „Könntest du es? Wo deine Schwester uns doch so geholfen hat?“
Die Widersacherin
Der erste Morgen nach unserer Rückkehr auf die Farm gab mir das Gefühl, die Zeit wäre tatsächlich um etwa zehn Monate zurückgedreht worden. Damals, im August zooi, vor dem Überfall, hatten wir uns morgens auf der Veranda um den langen Tisch versammelt und gemeinsam das Frühstück eingenommen. Jetzt, nach unserer Rückkehr, war es wieder so wie früher. Die Veranda erstreckte sich über die gesamte Längsseite des Hauses und war so tief, dass sämtliche Bewohner darauf Platz hatten. Wir saßen an mehreren, zu einer langen Tafel zusammengeschobenen Holztischen. Das weit vorgezogene, auf schmale Holzsäulen gestützte Dach bot sogar bei schlechtem Wetter allen Schutz.
Es war etwa sieben Uhr morgens und meine Schwestern und ihre Mädchen schwatzten fröhlich durcheinander. Die Aufgaben des jungen Tages wurden verteilt: Abidem, Jumoke, Yetunde, Chinne und Charity wurden Ada zugeteilt, um auf den Feldern zu arbeiten. Zuna, Baina, Dayo und Ijaba würden ebenso wie Josh mit ihrer Lehrerin Magdalena in die Schule gehen. Mama Funke sollte sich während der Abwesenheit der anderen wie üblich um das Haus kümmern und das Mittagessen vorbereiten.
Funke war eine mittelgroße, sehr schweigsame Frau. Im Gegensatz zu Bisi und Ada war sie nicht mit meinem Vater verheiratet gewesen. Funke hatte sich uns erst im April 2000 angeschlossen. Die knapp 60-Jährige hatte schon zuvor in Jeba gelebt und kannte dort viele Leute. Deshalb hatte sie eine besondere Aufgabe: Sie unterhielt enge Kontakte zu den Frauen der örtlichen Farmer-Kooperative, über die wir unsere Produkte wie Mais, Hirse und Kartoffeln verkauften. Von dem Erlös bestritten wir unseren Lebensunterhalt.
Bisi hatte als Älteste ihren Stammplatz auf der Stirnseite des Tischs.
Magdalena, mit dem Rücken zum Hof, saß mir gegenüber. Neben meiner Schwester saßen Amara und Funke, an meiner Seite, mit dem Rücken zum Haus, Ada. Meine Schwestern schlossen sich daran an, zum Ende der Tafel hatten sich die Kinder versammelt. Eine fest gefügte Ordnung, die jeden Streit um die Plätze vermied.
Mein Blick fiel auf den sauber gefegten, etwa acht Meter breiten und 25
Meter langen Hof und das gegenüberliegende Haus: Das Heilhaus, in dem Amara die Medizin schon zubereitet hatte, bevor alle anderen
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