03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
Arme und sagte: „Ein bisschen Angst machst du mir schon, Choga, wenn du so sprichst. Du hast eine große Entscheidung getroffen. Ich kenne sie noch nicht, aber du sollst wissen, dass ich dich dabei unterstützen werde. Egal was zu vorhast. Du bist meine Tochter.“
Ich drückte sie an mich. Denn ohne dass wir beide das Thema angesprochen hatten, durfte ich daraus schließen, was ich erhofft hatte: Ada würde mich vielleicht sogar zu Ezira begleiten. Doch ich war zu frisch heimgekehrt, um sie gerade jetzt danach zu fragen.
Nach und nach kamen meine Schwestern die Treppe herunter. Ich war überwältigt, in so viele vertraute Gesichter zu sehen, und umarmte eine nach der anderen: Abidem, Jumoke, Yetunde, Chinne und ihre vier Kinder. Jede freute sich über unsere Rückkehr und begrüßte uns mit lieben Worten.
Dann jedoch war Charity an der Reihe. Auch sie umarmte mich, aber nur flüchtig, und in ihrem Blick lag eine seltsame Kälte. „Bist du wirklich wieder in Ordnung?“, fragte sie. Ich konnte ihr nicht antworten, was ich dachte: Es waren zu viele Menschen, die wieder meinen Beistand erwarteten. So sagte ich nur ausweichend: „Im Moment geht es mir gut.“
Mein Blick suchte automatisch nach Lape, bis mir wieder einfiel, dass sie nicht hier sein konnte.
Josh saß inzwischen auf der Treppe, die ins obere Stockwerk führte, und erzählte. Er war umringt von seinen Halbschwestern Zuna, Baina, Dayo und Ijaba, unter die sich Bisi und Ada mischten. Sein Mund stand überhaupt nicht mehr still. Er hatte so viel zu erzählen von der langen Reise und den vielen Menschen, die er getroffen hatte. Als er sich endlich müde geredet hatte, schmiegte er sich an seine Lieblingsomas.
Meine deutsche Schwester Magdalena hatte den An-
sturm der anderen abgewartet und kam erst jetzt zu mir. Ihr volles dunkles Haar war grauer geworden. Durch die strenge Brille musterten mich ihre stets etwas sorgenvollen Augen. Sie wirkte wie meine Mutter, wenn sie mich lange nicht mehr gesehen hatte. Ein wenig förmlich reichte sie mir die Hand, gerade so wie bei unserer ersten Begegnung auf dem Flughafen von Lagos vor inzwischen zwei Jahren. Dann endlich umarmten wir uns.
„Schwesterchen“, meinte sie, „du wirkst verändert.“
„Die Ruhe bei Ezira hat mir gut getan.“ Ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen und schon bei der Ankunft über meine Abreise sprechen. Ich nahm mir vor, erst mal die Richtung jenes neuen Windes zu erspüren, der nach Eziras Meinung inzwischen in meinem Zuhause wehte.
Meine Schwester musterte mich. „Du bist wie ausgewechselt, Choga. Du wirkst entspannt. Das ist sehr gut.“
„Ich habe wegen der Dunkelheit noch nicht viel gesehen, aber ihr habt unsere Farm wieder richtig schön hergerichtet. Ich danke dir, Magdalena.“
In ihrem Brief, den ich im Regenwald erhalten hatte, hatte sie geschrieben, dass sie ihre Stelle als Lehrerin in Deutschland endgültig aufgegeben hatte.
Deshalb fragte ich: „Ist es dir nicht schwer gefallen, dein Zuhause aufzugeben?“
Ihre Antwort stimmte mich nachdenklich: „Mein Zuhause, Schwesterchen, ist jetzt hier. Du wirst sehen, ich habe alles im Griff.“
Amara führte mich in die Küche, die nun nicht mehr als Ersatzheilhaus diente. Dort trank ich erst mal einen Becher heißen Tees, der mich wärmte.
Wir plauderten ungezwungen. Ich erzählte von Pattys unerwartetem Besuch und sie schwärmte vom neuen Heilhaus. Sie sagte: „Ich habe alles in deinem Sinne wieder eingerichtet. Du wirst dich zurechtfinden, als wäre nichts geschehen.“
Vertraut legte sie mir den Arm um die Hüfte. „Du bist schmaler geworden, Choga.“
„Wirklich?“, fragte ich. „Das habe ich noch gar nicht bemerkt.“
„Wie ich dich kenne, wirst du dich wieder mal um dich selbst viel zu wenig gekümmert haben.“ Sie sah mich aufmerksam an. „Du gibst dir Mühe, sehr entschlossen zu wirken. Aber ich glaube, ich spüre da eine leichte Trauer.
Was ist los?“
Ich sah sie offen an. „Meine Gesundheit ist stabil. Doch ich weiß inzwischen, dass ich nie mehr als Heilerin arbeiten werde. Darüber muss ich mit dir sprechen. Nicht jetzt, wo ich gerade ankomme. Aber schon bald, Amara.“
Meine Mentorin wurde sehr ernst. „Oh, ich verstehe.“ Es schien, als legte sich ein leichter Schatten auf ihr Gesicht. „Ezira ist eine sehr kluge Frau.
Habe ich Recht, wenn ich vermute, dass sie dich ermahnt hat, deine Grenzen zu erkennen?“
Ich zögerte mit meiner Antwort. Doch dann kam ich zu dem
Weitere Kostenlose Bücher