03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
wie ein Geschenk. Dann fuhrst du weg und ich habe festgehalten an dem, was mir so wertvoll geworden war. Jetzt sagst du mir, dass du mich verlassen wirst. Und ich spüre, dass ich nicht frei bin. Denn ich habe etwas zu verlieren: dich, Choga. Und Josh. Das tut wahnsinnig weh. Mein Herz, das glaubte, frei zu sein, hat sich an euch gebunden.“
In etwa zehn Metern Entfernung erhob sich die Mauer, die meine Gefährtinnen ein Jahr zuvor errichtet hatten, um unsere Farm zu schützen.
Sie erschien mir wie ein Sinnbild: Wir zwei Schwestern, die sich ein Leben lang nicht gekannt hatten, hatten eine kleine Oase gefunden. So ähnlich muss es unserer Mutter ergangen sein, die selbst dann nicht den Harem verließ, als Felix einzog, die blieb, als so viele starben. Der Harem war ihr Zuhause; er gab sie nicht frei. Während ich auf die unregelmäßig geformten Steine blickte, überkamen mich Zweifel, ob ich die Kraft hatte, jemals wieder von hier fortzugehen.
Zu Hause ist, wo deine Liebe wohnt - so lautet ein englisches Sprichwort.
Ich liebte meine Schwester, Bisi und Ada. Ezira verehrte ich, Tanisha hatte einen Platz in meinem Herzen als Vertraute und Freundin. Mochte Ezira auch Recht haben, was meine Vergangenheit betraf, nämlich meine
Schwestern, die einstigen Frauen von Felix. Die anderen drei gehörten nicht zu dem abzuschließenden Kapitel meines Lebens. Sie waren jener Teil meiner Gegenwart, den ich liebte. Und in der Tiefe meines Herzens nicht loslassen mochte.
Magdalena und ich standen auf. Ohne ein Wort zu sagen schlossen wir uns in die Arme. „Bist du denn sicher, dass es bei dir schon so schlimm ist?
Bleibt dir wirklich so wenig Zeit?“, fragte Magdalena.
„Das liegt in Gottes Hand“, erwiderte ich.
Meine Schwester blickte mich aufmerksam an. „Warum sind deine Augen so entzündet? Hast du mit Amara schon darüber gesprochen?“
„Ja“, sagte ich und erinnerte mich auch an Dr. Rashids Worte, „dagegen muss Amara etwas tun. Ich hatte eigentlich gehofft, es würde von allein weggehen.“ Gemächlich liefen wir zum Hof zurück. Ich lenkte meine Schritte zum Heilhaus und Magdalena ging ins Farmhaus.
Ich ließ mir von Amara gründlich die Augen untersuchen. Sie stellte eine eitrige Entzündung fest. „Ich werde eine Tinktur und eine Augenspülung für dich zusammenstellen“, sagte sie.
In ihrem kleinen Reich sah es vertraut chaotisch aus. Der relativ kleine Raum war voller Zutaten, aus denen sie nicht nur unseren Tee, sondern alle möglichen anderen Arzneien zubereitete. Von der Decke hingen gebündelte Pflanzen zum Trocknen und auf der kleinen Feuerstelle kochte ein Tee für Lape. „Du kannst ihn ihr jetzt geben“, meinte unsere Heilerin und begann bereits damit, etwas gegen meine Augenentzündung anzurühren. Ich beobachtete sie und spürte, wie es mich in den Fingern juckte, ihr zu helfen.
Doch ich unterdrückte diesen Impuls schweren Herzens.
„Kranke dürfen nicht heilen“, sagte ich mehr zu mir selbst als zu meiner Mentorin.
„Aber helfen dürfen sie“, erwiderte Amara mit einem leichten Augenzwinkern.
Ich goss einen Becher voll Tee und trug ihn ins Heilhaus nebenan. Bisi hatte sich eine Schlafmatte geholt und lag neben Lape auf dem Boden. Sie summte gerade ein Wiegenlied. Ob Lape es hörte, war nicht zu erkennen; die geschwächte Patientin rührte sich nicht. Erst als ich mich auf den Bettrand setzte, schlug sie die Augen auf.
„Trink einen Tee. Der gibt dir Kraft“, sagte ich und flößte ihn ihr Löffel um Löffel ein. Sie war fast zu schwach, um den Mund zu öffnen. Aber sie gab sich dennoch Mühe, mitzumachen.
„Ich werde Amara helfen. Für eine ist das viel Arbeit“, sagte Bisi und ging nach nebenan. Wenig später betrat Magdalena das Heilhaus. Durch die Verbindungstür hörte ich sie und Amara miteinander sprechen, verstand aber nicht, worum es ging. Kurz darauf bestieg meine Schwester den neben dem Tor abgestellten Pick-up und fuhr vom Hof. Nachdem es mir gelungen war, mehr als die Hälfte des Tees in Lapes Mund zu manövrieren, erkundigte ich mich nebenan im Heilhaus, wohin Magdalena gefahren sei.
Bisi, die unseren Tee fertig stellte, antwortete: „Nach Jeba. Sie will mit Rose reden. Denn sie befürchtet große Probleme, wenn diese Streithenne erfährt, dass wir Lape geholt haben.“
„Ach, Rose soll sich nicht so haben“, meinte ich leichthin. „Weder sie noch die Kinder werden Lape je zu Gesicht bekommen. Schule und Station trennt immerhin eine
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