03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
tut ihr damit keinen Gefallen“, ereiferte sich Magdalena.
Die Fahrt nach Jos, die Konfrontation mit den vielen dem Tod nahen Aidskranken, das Gespräch mit dem Arzt und Lapes Rücktransport hatten ohnehin an meinen Kräften gezerrt. Nun auch noch dafür meiner erbosten Schwester Rede und Antwort stehen zu müssen, ging an die Grenzen meiner Belastbarkeit. Ich hörte Magdalenas Vorwürfen schweigend zu und mühte mich, mein selbst gesetztes Ziel unter den Sträuchern zu erreichen.
„Wir haben es nur gut gemeint“, brachte ich hervor.
„Mit wem denn? Mit euch selbst? Wollt ihr beweisen, dass ihr mehr zustande bringt als studierte Ärzte?“, schimpfte Magdalena.
Endlich konnte ich mich unter die Büsche setzen. „Nein, es war alles ganz anders. Sie war nicht mehr in dem Zimmer, das du kanntest. Sie lag in einem Gang und war unversorgt. Wir haben nur menschlich gehandelt.
Nicht so sehr als Heilerinnen.“
Magdalena verschlug es für einen Augenblick die Sprache. „Unversorgt?“, wiederholte sie verblüfft. Dann richtete sie sich mit dem Kampfesmut einer gesunden Frau auf. „Hast du mit Dr. Rashid gesprochen?“ Ich nickte.
„Und? Hat er sie nicht sofort verlegt?“
„Darüber habe ich gar nicht nachgedacht“, gab ich kleinlaut zu. „Sie tat mir nur so Leid, weißt du. Ich habe mich da selbst liegen sehen. Und mir einen Engel ersehnt, der mich aus dieser Hölle befreit.“
„Was für eine Hölle?“, fragte sie.
Ich beschrieb die Situation wohl so anschaulich, dass Magdalenas Empörung nur weiter wuchs. „Dieses Nigeria!“, rief sie aus.
„Bevor ich hierher gekommen bin, habe ich über dein Land alles gelesen, was ich irgendwie in die Finger bekommen konnte. Ich wusste von der Korruption und dem Chaos, das hier herrscht. Mit Sicherheit haben sie Lapes bezahlten Platz verschachert.“ Sie sah mich ernst an. „Ich hatte mir auch alle Informationen über dieses spezielle Krankenhaus besorgt. Darum habe ich, als es bei Lape so weit war, gezielt nach dem Chefarzt gefragt. Ich hatte ein langes Gespräch mit ihm und gewann den Eindruck, dass Lape bei ihm in guten Händen ist. Natürlich gab ich ihm viel Geld. Aber das war nicht das Problem. Sondern ich wollte ..“ Meine deutsche Schwester verstummte plötzlich. Sie blickte auf einen imaginären Punkt im Nirgendwo. „Choga, ich wollte vorbereitet sein für den Fall der Fälle.“
„Wie meinst du das?“
Magdalena stöhnte auf. „Du hast nun mal Aids. Wir wissen beide nicht, wie es dir irgendwann mal geht. Ich wollte sicher sein, dass du dann gut versorgt wirst. Deshalb musste ich wissen, ob diese Klinik auch wirklich so gut ist wie ihr Ruf.“ Sie sank in sich zusammen. „Offensichtlich ist sie es nicht.“
„Es belastet mich zwar, zu wissen, dass du Lape genau genommen meinetwegen dorthin gebracht hast. Aber ich bin irgendwie erleichtert über deine Offenheit. Darum sage ich dir jetzt auch etwas ganz ehrlich. Denn du sollst wissen, warum ich tatsächlich wieder hier bin.“
Es war ein total unwirklicher Augenblick ewiger Schönheit. Diese friedliche Stille, die uns umgab, die Schmetterlinge und Bienen, die uns umtanzten.
Das entfernte Kinderlachen. Doch unter dieser Oberfläche lauerte die Erinnerung an das Grauen im Krankenhaus von Jos und an die erlöschenden Augen Lapes. Mit diesen
Bildern im Kopf sagte ich: „Ich will nicht hier sterben, Magdalena.“
Sie starrte mich entsetzt an. „Choga, was redest du da? So habe ich das doch nicht gemeint, wenn ich sage, dass ich vorbereitet sein wollte!“
Gleich neben uns befanden sich die Gräber von Efe und Jo. Mama Bisi hatte wie jeden Morgen eine neue, dicke rote Kerze davor gestellt und entzündet. Das heiße Wachs schwamm, der breite Rand war nach innen geknickt. Ein leichter Windzug drückte die Flamme beständig in eine Richtung. Dadurch war die Kerze auf dieser Seite stärker heruntergebrannt. Das Wachs lief beständig heraus, bildete am Fuß eine breite erstarrte Lache. Wenn der schwache, gleichmäßige Luftzug anhielt, würde der Flamme irgendwann die Nahrung entzogen werden. Sie würde verlöschen. Also drehte ich die Kerze, damit der Wind ihr noch etwas Zeit ließ. Nun driftete die Flamme gegen die andere Seite. Ich beobachtete, wie der dicke Rand noch mehr nach innen knickte. Das flüssige Wachs stieg kurzzeitig an und überschwemmte den Docht. Mit einer winzigen Rauchfahne erlosch die Kerze.
Ich nahm sie aus der leichten Erdvertiefung, in die Bisi sie gestellt hatte, goss
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