03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
wahren Beweggründe erfahren.
Meine Gefährtin füllte den Tonkrug randvoll. „Ich halte es hier nicht mehr aus, Choga. Wenn ich noch eine Nacht neben Lape verbringen müsste, würde ich durchdrehen.“ Sie wandte mir ihr hübsches Gesicht zu, in dem ich nun statt Trotz eine große Traurigkeit erkannte. „Von allen, die mit uns vom Harem auf die Farm gegangen sind, war Lape eine der Gesündesten.
Warum muss ausgerechnet sie als Erste dran glauben? Und wann bin ich dran? Wann Zuna und Baina?“ Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, als ob sie weinte, was ich wegen der Dunkelheit nicht erkennen konnte. „Das ist wie bei dem Kinderabzählreim: Und raus bist du!“
Wie sie so vor mir stand, zart und zerbrechlich, schämte ich mich fast, dass ich sie wenige Minuten zuvor noch derart hart angegangen war. Charitys brutaler Vergleich mit dem Kinderspiel schockierte mich gleichzeitig.
Wenn sie das so sah, dann taugte unsere ganze Idee von einer Oase nichts.
Denn natürlich lag es auf der Hand, dass wir unserer Erkrankung nicht ewig die Stirn bieten konnten. Doch das begriff ich erst jetzt, als ich mir endgültig eingestand, dass wir mit dem Tee und aller heilerischen Vorsorge das Fortschreiten unseres Verfalls nicht aufhalten konnten. Unsere Oase konnte nur ein Glück auf Zeit bedeuten; Lapes Tod hatte Charity das bewiesen. Das hielt sie nicht aus.
„Warum hast du nicht eher Bescheid gesagt, was du empfindest?“, fragte ich. „Dann hätten wir das mit den Nachtwachen besser unterlassen.
Vielleicht habe ich zu sehr Lapes Wohl beachtet und nicht genug daran gedacht, wie es euch damit geht“, gab ich zu. „Wir werden eine andere Lösung finden, Charity. Deswegen musst du nicht fortlaufen.“
Als sie mich nun direkt ansah, schwammen ihre Augen in Tränen. „Ich will nicht abwarten, bis du an Lapes Stelle liegst, Choga. Da hau ich lieber vorher ab. Meinetwegen halt mich für feige. Aber ich kann nicht anders.“
Ich hätte sagen können, dass ich es nicht so weit kommen lassen und vorher gehen wollte. Doch was hätte das noch geändert? Charity sah in mir die Heilerin. Und die durfte nicht selbst ausfallen. Ich entschloss mich, meine Gefährtin nicht festzuhalten. „Versprich mir, dass ihr alle sofort mit einer anderen Therapie beginnt, Charity“, schärfte ich ihr ein. „Aber du weißt auch, dass das für euch vier eine riesige Summe Geld kosten wird, oder?“
Sie bedachte mich mit einem tränenschweren Lächeln voll zaghafter, vager Hoffnung. „Gott wird seine schützende Hand über uns halten.“
„Umarmen wir uns noch einmal?“, fragte ich, und wir hielten uns fest. Wir konnten uns keinen Halt geben. Wir waren eher wie zwei Schiffbrüchige, die sich noch einmal aneinander klammerten. Dann nahm Charity ihren I Krug und wir gingen gemeinsam zum Farmhaus.
Die Lämpchen an der Verandawand zauberten ein heimeliges Licht. Bisi und Ada hatten ihre Stühle dicht an- einander geschoben und steckten die Köpfe zusammen.
Ein Bild voll Gemütlichkeit, das ich liebte. Wenn die beiden alten, seit Jahrzehnten befreundeten Frauen so vertraut miteinander sprachen, fühlte ich mich immer behütet. Sie waren voller Herzlichkeit und Sorge um alle.
Schon der Anblick der beiden sagte: Alles wird gut. Ihr Verhältnis zu Mama Funke, der dritten Seniorin, war längst nicht so eng, denn Funke war erst viel später zu uns gestoßen. Sie wurde erst zu Rate gezogen, wenn Bisi und Ada sich vertraulich ausgetauscht hatten.
Meine beiden Lieblingsmamas wandten sich Charity und mir zu. Der Blick in ihre Gesichter verriet mir, dass sie sich Sorgen machten. Charity wünschte rasch Gute Nacht und verschwand mit gesenktem Kopf im Haus.
Sobald ich an die aneinander geschobenen Tische trat, um die wir uns gewöhnlich zum Essen versammelten, nahmen mich meine Lieblingsmamas in ihre Mitte.
„Habt ihr euch ausgesprochen?“, fragte Mama Bisi.
„Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass Charity nicht zusehen kann, wie wir immer weniger werden. Irgendwie kann ich sie ja auch verstehen“, sagte ich nachdenklich.
Ada stimmte mir zu: „Wir können keine zwingen, hier zu bleiben. Das würde nur zu noch mehr Unruhe führen, als ihre und Chinnes Abreise ohnehin verursachen. So wird nur ein paar Tage lang darüber gesprochen und dann geht alles wieder seinen gewohnten Gang.“
„So meinte ich das eigentlich nicht“, erwiderte ich. „Magdalena sagte kürzlich, dass Außenstehende in unserer Farm einen Ort des Todes
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