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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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ohne sie ist. Aber weil du sie bei der Geburt kennen gelernt hast, weißt du, dass du lebst, wenn du sie hast. Vielleicht muss das Leben auch wieder mit Schmerzen enden. Weil das ein Kreislauf ist. Ein Kreis aus Schmerz.“
    Dass meine Schwester nachts weinte, wenn ihre Wache schlief, bestätigte mein Bild von ihr. Ich hatte sie immer für einen Menschen gehalten, der nicht gern im Mittelpunkt stand. Sie war für jeden da, aber was wirklich in ihr vorging, wusste zumindest ich nicht. „Oder nimm deine Tränen“, sagte ich deshalb. „Sie lassen dich alles verschwommen sehen. Hinter dem Schleier deiner Tränen, da steckst du. Du allein. Die Tränen, die der Schmerz verursacht, erinnern dich an dein eigenes Ich. An jenen Menschen, den die anderen nie zu sehen bekommen
    „Sie wollen keine Schwachen und Kranken sehen, Choga. Sonst wären Charity und Chinne doch nicht gegangen. Dich rechnen sie doch auch dazu.“ Sie atmete
    schwer und verbarg ihr Gesicht, indem sie sich abwandte.
    Schweigend saß ich neben ihr, ratlos und überfordert. Mein Trost war durchschaut; er reichte nur für den Augenblick, aber nicht für die Ewigkeit. Weder mit Taten noch mit Worten ließ sich der Tod aufhalten.
    Ich erhob mich, um mir meine Augentropfen zu verabreichen. Doch Lape hielt mich noch einmal zurück: „Choga, wenn es so weit ist - darf ich dann zu Efe und den anderen unter die Bougainvillea?“
    Ich streichelte sie und versprach, ihr diesen letzten Wunsch zu erfüllen.

Roses Zorn
    Es war noch nicht wieder richtig hell, als mich eine innere Unruhe weckte.
    Ich stand im Hof, die aufgehende Sonne kam mir vor wie ein blasser roter Ball ohne Kraft. Hätte ich nicht die Tageszeit gewusst, hätte ich auch annehmen können, sie gehe gerade unter. Aus dem neben dem Brunnen bereitstehenden Eimer schöpfte ich etwas Wasser und strich es mir über das Gesicht. Ich sog die klare Morgenluft ein, wie ich es gewöhnlich tat, und betrat die Heilstation. Es war darin dunkel und stickig. Ich öffnete die Fensterläden und das Licht fiel herein. In dieser Nacht hatte Bisi Wache gehalten. Zusammengekauert lag sie auf der Matte neben Lape.
    Lape starrte mich aus weit geöffneten Augen an. Ich setzte mich auf ihr Bett und fühlte ihren schwachen Puls. „Choga ..“ Sie flüsterte. „Jetzt habe ich keine Schmerzen. Hilfst du mir aufzustehen?“
    „Wohin möchtest du denn?“, fragte ich.
    „Noch einmal den Sonnenaufgang sehen. Bringst du mich zur Veranda?“
    „Natürlich“, sagte ich. Doch allein konnte ich es nicht schaffen. Und Bisi schlief ganz fest; ich weckte sie sanft. Wir nahmen Lape in unsere Mitte und führten sie hinaus. Es war nicht zu spät; die Sonne glühte in mildem Morgenrot. Wir gingen langsam hinüber und setzten uns in die Korbstühle.
    „Ich hole dir eine Decke, damit du dich nicht ver-kühlst“, sagte Mama Bisi. Denn meine Schwester war schweißnass von der ungewohnten Anstrengung.
    „Lass nur, ich kann mich nicht mehr erkälten.“ Lapes Lächeln schien seine Zuversicht aus einer anderen Di mension zu beziehen.
    In Bisis Augen stand das blanke Entsetzen. Erst jetz begriff sie, dass Lapes Todesstunde gekommen war. Si schickte mir einen flehenden Blick, aber ich konnte meiner Lieblingsmama nicht helfen.
    „Es ist so schön hier“, sagte Lape.
    „Wollen wir hier bleiben?“, fragte ich. Denn ich hatte eine spontane Idee: Wenn der Tod zum Leben gehört dann darf eine Sterbende bei den Lebenden bleiben wenn sie es will.
    Lape nickte. „Ich möchte alle noch einmal sehen.“ Si lehnte sich gegen Bisis mütterliche Schulter. Meine Lieb lingsmama und ich hielten je eine ihrer Hände. Schließlich stieß Amara zu uns, die schon im Kräutergarten Pflanzen geerntet hatte. Sie erfasste die Situation sofort und wickelte die Sterbende in die rote Decke meiner Mutter. Nach und nach erwachten Abidem, Jumoke und Yetunde, Ada, Funke und Magdalena sowie unsere drei Kinder. Josh und die Mädchen nahmen ihr Frühstück; wie immer ein.
    Für sie war es ein Morgen wie so viele andere auch. Dass sich Lape währenddessen auf ihre, letzte Reise begab, bekamen sie nicht mit. Unsere Gefährtin saß einfach nur lächelnd und sehr schweigsam in unserer Mitte.

    Sie wirkte sehr glücklich.
    Nur eines war an diesem Morgen anders. Als das Frühstück vorbei war und die Kinder zur Schule aufbrechen sollten, sagte Mama Bisi: „Jetzt werden wir noch gemeinsam beten.“ In ihrem laut gesprochenen Gebet dankte Bisi Gott, dass er uns zusammengeführt

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