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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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und beschützt hatte. Sie bat auch um die Kraft, dass wir nicht an dem verzweifelten, was auf uns zukam. Es war ein
    schönes Gebet, ohne Bibel und Psalmen, geboren aus tiefer Ehrfurcht vor der Schöpfung.
    Ich sah Lape an. Im Gesicht unserer Schwester lag noch immer ein leichtes Lächeln. Irgendwann, ganz leise, war sie gegangen. Josh und die beiden Mädchen brachen mit Magdalena zur Schule auf. Als sie fort waren, stand Amara auf und schloss Lapes Augen.
    Mama Bisi weinte. „Sie hatte einen wunderschönen Tod.“ Die Mamas und meine Schwestern küssten Lape ein letztes Mal und trugen sie ins Heilzimmer, wo wir sie aufs Bett legten und sorgsam zudeckten.
    Wir beerdigten unsere Schwester kurz nach Sonnenaufgang des folgenden Tages. Ada, Abidem und Jumoke hatten für Lape ein Grab neben den Bougainvilleabüschen ausgehoben. Es war noch sehr früh und die friedvolle Stimmung des jungen Tages glich jener, in der Lape von uns gegangen war.
    Wir versammelten uns alle um das frische Grab, warfen Blumen und Erde hinein. Magdalena las aus der Bibel vor, denn Lape war wie alle meine Gefährtinnen eine gläubige Christin gewesen. Josh stand dicht neben mir.
    Lapes Freundinnen, die so viele Jahre mehr als ich mit ihr verbracht hatten, weinten. Ich hatte keine Tränen; ihr Leiden, das ich wochenlang erlebt hatte, hatte mich mehr berührt. In ihrem Tod sah ich eine Erlösung.
    Nach meiner Überzeugung, in der das Leben aus einem ewigen Kreislauf aus Geburt, Tod und Wiedergeburt besteht, trat unsere Gefährtin nun in einen neuen Kreis ein.
    Meine Hand umfasste Joshs. Er fragte nicht, warum schon wieder jemand aus unserer Mitte starb. Der Tod gehörte zu seinem Leben; er war für ihn selbstverständlich. Ich hielt Josh, als ob ich mich an ihm festhalten musste, um nicht in den dunklen Abgrund zu meinen Füßen zu fallen.
    An diesem Morgen erst, als ich mich angekleidet hatte, waren mir auf meinen Oberarmen zwei dunkle Flecken aufgefallen. Ich hatte sie bislang nicht einmal Amara gezeigt. Ich wusste auch so, was sie bedeuteten. Mein Körper hatte die für Aids typische Variante des Hautkrebses entwickelt.
    Die Entzündung meiner Augen gehörte ebenso in dieses Krankheitsbild.
    Amara hatte sie mit der mittlerweile dritten Kräutertinktur, Spülungen und den nach wie vor angewandten Wickeln in den Griff bekommen. Doch meine Sehkraft hatte sich nicht erholt, sie wurde ganz allmählich sogar schlechter. Mein medizinisches Wissen reichte zwar nicht aus, um den Zusammenhang erklären zu können, doch ich wusste, dass es ihn gab. Ich war nicht einmal richtig überrascht; ich hatte unbewusst geahnt, dass mein Augenleiden nicht nur eine Infektion war.
    Während ich auf den Sarg blickte, den Ada und Abidem aus schlichten Brettern gezimmert hatten, gestand ich mir ein, dass meine Zeit noch rascher ablief, als ich befürchtet hatte. Lape hatte keine Kinder hinterlassen; sie hatte ein Baby verloren, lange bevor wir uns begegnet waren. Joshs zarte Hand war wie das Leben, das ich nicht loslassen wollte.
    Aber nicht festhalten konnte; es lag nicht in meiner Macht. Nur eins blieb mir noch: Joshs Wohl jemandem anzuvertrauen, den ich liebte und den er ebenso in sein Herz schloss. Ich betete um genügend Zeit, damit mein Vorhaben Wirklichkeit werden konnte.
    Mein Blick glitt über die Gräber, klammerte sich an den Blüten der Wunderblume fest. Nein, ich war noch nicht bereit für den Tod. Wenn auch meine Kraft schwand, meine Bereitschaft, wenigstens um Joshs Wohlergehen zu kämpfen, war größer als je zuvor. Und ich fühlte mich jetzt frei dazu, da Lape gegangen war. Meine Aufgabe auf der Farm war in diesem Moment beendet.,
    Noch am selben Tag wollte ich meine Gefährtinnen über unsere bevorstehende Abreise unterrichten. Ich sehnte mich nach Ezira und Tanisha. Bei ihnen konnte ich schwach sein, wenn ich schwach war. Auf meiner eigenen Farm hatte ich das Gefühl, selbst meine Schwäche als Stärke tarnen zu müssen. Ich warf das niemandem vor. Sondern es war, wie Lape so hellsichtig gesagt hatte: Ich wollte nicht zulassen, dass jemand anders meinen Karren zog. Bei Tanisha, meiner Freundin und Vertrauten, gesund und jung, hätte ich dieses Gefühl nicht: Wir stützten uns gegenseitig. Wenn ich nicht mehr wäre, würde sie gemeinsam mit Ezira mein Kind beschützen.
    So dachte und hoffte ich, während ich noch mitten im Leben und dennoch meiner eigenen Endlichkeit gegenüberstand. Ich drückte Josh an mich und sah zu ihm hinunter. Unsere Blicke trafen

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