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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Dinger«, murmelte Mr Grnksghty.
    »Warum kann er nicht rausgehen?«
    »Ist wahrscheinlich ganz harmlos, aber ich kann gerne mal
    nachsehen«, sagte Snell gerade und starrte ins Nichts. Schließlich drehte er sich zu uns um, sah den ärgerlichen Gesichtsausdruck von Mr Grnksghty und ging beiläufig winkend hinaus.
    »Na, wo waren wir stehen geblieben, junge Frau?« sagte der
    Händler.
    »Sie haben gerade von Charlotte Brontё erzählt«, sagte ich.
    »Ja, richtig.« Der Alte lächelte, drehte behutsam an seinem
    Destillierapparat und ließ einen winzigen Tropfen in eine
    Ballonflasche fallen. »Ich habe eine wunderbare Vorgeschichte
    für Edward und Bertha Rochester erfunden, aber sie hat kaum
    etwas davon genommen.«

    »Das war sicher eine große Enttäuschung für Sie.«
    »Allerdings«, sagte er. »Ich bin ein Künstler, kein Chemiker.
    Aber es war nicht so schlimm, vor ein paar Jahren habe ich sie
    komplett an die Wide Sargasso Sea verkauft. Aber es hat auch
    schon andere Fälle gegeben. Die Vorgeschichte von Mr Pick-wick konnte ich partout nicht verkaufen – am Ende hab ich sie
    dem Jurisfiktion-Museum geschenkt.«
    »Woraus machen Sie eigentlich Ihre Geschichten, Mr
    Grnksghty?«
    »Der Hauptbestandteil ist Sirup«, sagte er, schüttelte die Flasche und sah zu, wie die Flüssigkeit darin langsam verdunstete.
    »Sirup und Erinnerungen. Massenhaft Erinnerungen. Der Sirup
    wird eigentlich nur als Bindemittel benutzt. Sagen Sie, was
    halten Sie von UltraWord™?«
    »Ich weiß noch gar nicht genau, was das ist«, sagte ich.
    »Mir gefällt besonders das neue ReadZip™«, sagte der kleine
    Mann, fügte eine rote Flüssigkeit hinzu und betrachtete das
    Ergebnis voller Interesse. »Es heißt, sie könnten Krieg und
    Frieden auf 86 Wörter komprimieren und trotzdem die ganze
    Größe des Originals wiedergeben.«
    »Das glaub' ich erst, wenn ich's sehe.«
    »Hier unten kommt der Glaube vom Lesen!« korrigierte
    mich Mr Grnksghty.
    Es entstand eine Pause.
    »Mr Grnksghty?«
    »Ja?«
    »Können Sie mir noch mal sagen, wie man Ihren Namen
    ausspricht?«
    In diesem Augenblick kam Snell zurück in den Laden.
    »Das war Miss Havisham«, sagte er und holte sich seinen
    Kopf wieder. »Vielen Dank, Mr Grnksghty. Kommen Sie,
    Thursday, wir müssen weiter.«
    Snell führte mich den Korridor hinunter bis zu den holzgetäfelten, messingbeschlagenen Aufzügen. Die Türen öffneten sich,
    und mehrere Straßenjungen stürmten heraus. Sie trugen gespaltene Stöcke, in denen kleine Zettelchen steckten.
    »Das sind frische Ideen auf dem Weg zu den Büchern, die
    gerade entstehen«, erklärte mir Snell. »Offenbar hat der Handel
    gerade begonnen. Der Ideen-Verkauf und -Verleih ist im siebzehnten Stock.«
    Wir betraten den Aufzug und rauschten nach unten.

    Es klingelte, die Türen öffneten sich, und ein kühler Luftzug
    fegte mir um die Beine. Hier unten war es dunkler als auf dem
    Stockwerk, wo wir gerade gewesen waren, und zahlreiche übel
    aussehende Typen starrten uns aus der Finsternis an. Ich wollte
    aussteigen, aber Snell hielt mich zurück. Er sah sich um und
    flüsterte: »Das ist das zweiundzwanzigste Untergeschoss. Die
    schlimmste Gegend im Brunnen. Ein Paradies für Mörder,
    Diebe, Halsabschneider, Betrüger, Wechselbälger, Verkleidungskünstler, Plagiatoren, Briganten und Leute, die einem die
    Schau stehlen.«
    »Bei uns zu Hause werden solche Viertel schon lange nicht
    mehr geduldet«, murmelte ich.
    »Bei uns werden sie von allen Seiten gefördert«, erklärte mir
    Snell. »Ohne Bösewichter und Schurken wären unsere Romane
    nur halb so lustig, und irgendwo müssen die armen Kerle ja
    leben.«
    Sobald wir den Aufzug verlassen hatten, spürte ich die Bedrohung von allen Seiten. Vermummte Gestalten standen ganz
    in der Nähe, ihre Hände waren knochenweiß, und ihre Gesichter waren von Schatten verdeckt, aber ich hörte sie flüstern, als
    wir vorbeigingen. Unmittelbar vor uns hockten zwei große
    Raubkatzen mit flackernden Augen, die sich die Lippen leckten
    und uns hungrig anstarrten.
    »Das Abendessen«, sagte die eine und musterte uns von oben
    bis unten. »Wollen wir sie gleichzeitig fressen oder einen nach
    dem anderen?«
    »Einen nach dem anderen«, sagte die größere Katze, die noch
    wesentlicher furchteinflößender war als die andere. »Aber wir
    sollten lieber warten, bis Big Martin kommt, ehe wir anfangen.«
    »Natürlich«, sagte die erste und zog ihre Krallen zurück.
    Snell ignorierte die beiden Monster

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