Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
den
    Rufknopf. Das Getöse wurde lauter, und ein Windstoß kam mir
    entgegen, ähnlich dem Luftstoß, der einer U-Bahn vorausgeht.
    Ein Schauder lief mir über den Rücken. Dort, wo ich herkam,
    sprach eine Browning Automatik eine deutliche Sprache, aber
    was sie bei Grammasiten ausrichten würde, wusste ich nicht –
    und auf unangenehme Überraschungen hatte ich gar keine
    Lust.
    Ich wollte schon weglaufen, da ertönte ein sanftes Ping! auf
    der anderen Seite des Korridors, der Rufknopf begann zu leuchten, und die Anzeigetafel kündigte an, dass ein Aufzug sich
    langsam näherte. Ich lief hinüber, lehnte mich an die Tür und
    entsicherte meine Waffe. Der Wind wurde stärker, und das
    Getöse schwoll an.
    Als die ersten Grammasiten eintrafen, war der Aufzug noch
    immer nicht da. Die Schädlinge sahen sich im ganzen Korridor
    um, schnüffelten mit ihren langen Schnauzen an den Manuskripten und quiekten lüstern dabei. Das war die Vorhut. Das
    Hauptfeld traf wenige Sekunden später mit ohrenbetäubendem
    Lärm ein. Ein oder zwei zerrten an den Regalen, bis hier und da
    lose Blätter, Exposés, Schnellhefter oder ganze Aktenordner
    herausfielen. Sobald ein Manuskript am Boden lag, stürzten sich
    ganze Klumpen von Grammasiten darauf. Eine Romanfigur
    hatte offensichtlich die Nerven verloren und brach aus der
    Deckung. Sie wurde augenblicklich von einem der gierigen
    Räuber aufgespießt und binnen Sekunden gefressen. Bald war
    nur noch ein Gerippe übrig: ein Mann ohne Eigenschaften,
    Gesicht und Gestalt. Selbst die Kleider wurden sekundenschnell
    von den schwächeren Parasiten zerrissen und aufgezehrt, die
    gewartet hatten, bis der größere Grammasit seinen Hunger
    gestillt hatte.
    Ich hatte genug gesehen und eröffnete sofort das Feuer, als
    ich bemerkte, dass ich entdeckt worden war. Drei von den
    Räubern erwischte ich auf der Stelle. Sie wurden von ihren
    Artgenossen zerrissen und umstandslos aufgefressen. Pietät war
    offenbar keine besondere Stärke der Grammasiten. Ich erledigte
    noch zwei weitere, die gerade versuchten, Manuskripte von den
    Regalen zu zerren, dann musste ich nachladen.
    Ein unheimliches Schweigen fiel über die Szene. Ich ließ den
    Schlitten meiner Automatik zurückgleiten und sah nach oben.
    Ungefähr hundert Grammasiten starrten mich mit ihren kleinen schwarzen Augen an und sahen sehr unfreundlich aus. Ich
    seufzte. Was für ein schrecklicher Tod. Ich sah meinen Grabstein schon vor mir.

    Thursday Next
    1950-1986
    SpecOps-Agentin und geliebte Ehefrau
    von jemand, der nicht existiert
    Starb an einem unbekannten Ort
    im Einsatz gegen unbekannte Feinde

    Ich hob meine Waffe, und die Grammasiten bewegten sich vor
    und zurück, so als könnten sie sich nicht entscheiden, wer
    zuerst angreifen und den Opfertod sterben sollte, ehe sie mich
    überwältigen konnten. Um das Unvermeidliche aufzuhalten,
    zielte ich mal auf den einen, mal auf den anderen, der sich
    bewegte. Derjenige, den ich für den Anführer hielt, weil er die
    grellste Weste anhatte, machte einen Schritt vorwärts, und ich
    richtete meine Waffe auf ihn. Diese Gelegenheit benutzte ein
    Grammasit zu meiner Linken, um plötzlich vorwärts zu springen. Sein nadelscharfer Schnabel zielte direkt auf mein Herz.
    Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig um, um seine bösartig
    blitzenden Augen zu sehen, die von mindestens tausend gemordeten Verben genährt waren, und spürte den tödlichen
    Stich schon.
    Aber noch ehe sein Schnabel sich in meine Brust bohrte,
    wurde ich hinterrücks in den Aufzug gerissen. Der Schnabel des
    Grammasiten bohrte sich in das Hartholz der Türfüllung. Ich
    streckte die Hand aus, um den Schließknopf zu drücken, aber
    mein unsichtbarer Retter hielt mein Handgelenk fest.
    »Wir laufen niemals vor Grammasiten davon!«
    Es war eine strenge Stimme, die ich nur allzu gut kannte:
    Miss Havisham. Wie immer trug sie ihr zerlumptes Hochzeitskleid und starrte mich empört an. Ich glaube, ich war eine der
    schlimmsten Auszubildenden, die sie je hatte. Jedenfalls tat sie
    immer so, wenn sie mit mir zu tun hatte.
    »Wir haben nichts zu fürchten außer der Furcht selbst«, tönte sie, riss ihren Derringer aus der Tasche und erledigte zwei
    Grammasiten, die auf die offene Aufzugstür zustürmten. »Wie
    es scheint, verbringe ich den größten Teil meiner Zeit damit,
    dich irgendwo aus der Patsche zu holen, Mädel!«
    Die Grammasiten gingen jetzt langsamer gegen uns vor. Ihre
    Zahl betrug jetzt mindestens dreihundert, und

Weitere Kostenlose Bücher