03_Im Brunnen der Manuskripte
den
Rufknopf. Das Getöse wurde lauter, und ein Windstoß kam mir
entgegen, ähnlich dem Luftstoß, der einer U-Bahn vorausgeht.
Ein Schauder lief mir über den Rücken. Dort, wo ich herkam,
sprach eine Browning Automatik eine deutliche Sprache, aber
was sie bei Grammasiten ausrichten würde, wusste ich nicht –
und auf unangenehme Überraschungen hatte ich gar keine
Lust.
Ich wollte schon weglaufen, da ertönte ein sanftes Ping! auf
der anderen Seite des Korridors, der Rufknopf begann zu leuchten, und die Anzeigetafel kündigte an, dass ein Aufzug sich
langsam näherte. Ich lief hinüber, lehnte mich an die Tür und
entsicherte meine Waffe. Der Wind wurde stärker, und das
Getöse schwoll an.
Als die ersten Grammasiten eintrafen, war der Aufzug noch
immer nicht da. Die Schädlinge sahen sich im ganzen Korridor
um, schnüffelten mit ihren langen Schnauzen an den Manuskripten und quiekten lüstern dabei. Das war die Vorhut. Das
Hauptfeld traf wenige Sekunden später mit ohrenbetäubendem
Lärm ein. Ein oder zwei zerrten an den Regalen, bis hier und da
lose Blätter, Exposés, Schnellhefter oder ganze Aktenordner
herausfielen. Sobald ein Manuskript am Boden lag, stürzten sich
ganze Klumpen von Grammasiten darauf. Eine Romanfigur
hatte offensichtlich die Nerven verloren und brach aus der
Deckung. Sie wurde augenblicklich von einem der gierigen
Räuber aufgespießt und binnen Sekunden gefressen. Bald war
nur noch ein Gerippe übrig: ein Mann ohne Eigenschaften,
Gesicht und Gestalt. Selbst die Kleider wurden sekundenschnell
von den schwächeren Parasiten zerrissen und aufgezehrt, die
gewartet hatten, bis der größere Grammasit seinen Hunger
gestillt hatte.
Ich hatte genug gesehen und eröffnete sofort das Feuer, als
ich bemerkte, dass ich entdeckt worden war. Drei von den
Räubern erwischte ich auf der Stelle. Sie wurden von ihren
Artgenossen zerrissen und umstandslos aufgefressen. Pietät war
offenbar keine besondere Stärke der Grammasiten. Ich erledigte
noch zwei weitere, die gerade versuchten, Manuskripte von den
Regalen zu zerren, dann musste ich nachladen.
Ein unheimliches Schweigen fiel über die Szene. Ich ließ den
Schlitten meiner Automatik zurückgleiten und sah nach oben.
Ungefähr hundert Grammasiten starrten mich mit ihren kleinen schwarzen Augen an und sahen sehr unfreundlich aus. Ich
seufzte. Was für ein schrecklicher Tod. Ich sah meinen Grabstein schon vor mir.
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1950-1986
SpecOps-Agentin und geliebte Ehefrau
von jemand, der nicht existiert
Starb an einem unbekannten Ort
im Einsatz gegen unbekannte Feinde
Ich hob meine Waffe, und die Grammasiten bewegten sich vor
und zurück, so als könnten sie sich nicht entscheiden, wer
zuerst angreifen und den Opfertod sterben sollte, ehe sie mich
überwältigen konnten. Um das Unvermeidliche aufzuhalten,
zielte ich mal auf den einen, mal auf den anderen, der sich
bewegte. Derjenige, den ich für den Anführer hielt, weil er die
grellste Weste anhatte, machte einen Schritt vorwärts, und ich
richtete meine Waffe auf ihn. Diese Gelegenheit benutzte ein
Grammasit zu meiner Linken, um plötzlich vorwärts zu springen. Sein nadelscharfer Schnabel zielte direkt auf mein Herz.
Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig um, um seine bösartig
blitzenden Augen zu sehen, die von mindestens tausend gemordeten Verben genährt waren, und spürte den tödlichen
Stich schon.
Aber noch ehe sein Schnabel sich in meine Brust bohrte,
wurde ich hinterrücks in den Aufzug gerissen. Der Schnabel des
Grammasiten bohrte sich in das Hartholz der Türfüllung. Ich
streckte die Hand aus, um den Schließknopf zu drücken, aber
mein unsichtbarer Retter hielt mein Handgelenk fest.
»Wir laufen niemals vor Grammasiten davon!«
Es war eine strenge Stimme, die ich nur allzu gut kannte:
Miss Havisham. Wie immer trug sie ihr zerlumptes Hochzeitskleid und starrte mich empört an. Ich glaube, ich war eine der
schlimmsten Auszubildenden, die sie je hatte. Jedenfalls tat sie
immer so, wenn sie mit mir zu tun hatte.
»Wir haben nichts zu fürchten außer der Furcht selbst«, tönte sie, riss ihren Derringer aus der Tasche und erledigte zwei
Grammasiten, die auf die offene Aufzugstür zustürmten. »Wie
es scheint, verbringe ich den größten Teil meiner Zeit damit,
dich irgendwo aus der Patsche zu holen, Mädel!«
Die Grammasiten gingen jetzt langsamer gegen uns vor. Ihre
Zahl betrug jetzt mindestens dreihundert, und
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