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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Katze, die völlig anders war als die anderen. Das war
    kein überdimensionierter Stubentiger, sondern eine Bestie von
    einem Kater, viermal so groß wie ein Löwe. Und er starrte mich
    mit unverhohlener Feindseligkeit an. Seine Krallen waren
    ausgefahren, und seine Reißzähne glitzerten hungrig. Ich blieb
    stehen und drehte mich um, wo die vier anderen Katzen aufgereiht standen und mich erwartungsvoll anstarrten. Ihre
    Schwänze peitschten gierig die Luft. Ein schneller Blick in beide
    Richtungen zeigte mir, dass niemand in der Nähe war, der mir
    hätte helfen wollen; ganz im Gegenteil, die Passanten schienen
    eher auf ein Spektakel zu warten.
    Als eine der hinteren Katzen auf mich zukam, zog ich meine
    Pistole. Aber sie fragte nur den Kater auf der Kiste: »Dürfen wir
    sie jetzt endlich fressen?«
    Der große Kater zog seine rasiermesserscharfen Krallen
    durch das Holz der Kiste, als wäre es Butter, starrte mich mit
    großen gelben Augen an und sagte mit tiefer, grollender Stimme: »Wollen wir nicht lieber auf Big Martin warten?«
    »Ja«, sagte die andere Katze deutlich enttäuscht. »Wahrscheinlich ist es besser, wir warten.«
    Plötzlich stellte der Monsterkater die Ohren auf und sprang
    von seiner Kiste ins Dunkel. Ich hob meine Waffe, aber er
    wollte nicht angreifen – ganz im Gegenteil, er war auf der
    Flucht. Auch die anderen Katzen und die Passanten verschwanden abrupt. Innerhalb von Sekunden stand ich völlig allein im
    22. Untergeschoss mit nichts als dem Pochen meines eigenen
    Herzschlags zu meiner Gesellschaft und einem abgeschnittenen
    Kopf in einem schmutzigen Kissenbezug.
    6.
    Die Nacht der Grammasiten
    Grammasiten: Generalbegriff für eine parasitäre Lebensform, die im Inneren von Büchern auftritt und sich von
    Wörtern und grammatischen Formen ernährt. Rein biologisch stammen sie von den Gerundien ab. Es handelte sich
    um einen Versuch, aus den im Überfluss vorhandenen Namenwörtern (meist Substantive genannt) vollwertige Verben (für den Deutschunterricht: Tunwörter) zu machen, indem man eine Silbe anhängte. Die Grammasiten wurden
    deshalb in ihrer Frühzeit auch Inger genannt. Es war ein typisches Beispiel für Forschungskriminalität und Missmanagement unserer Sprache: Kaum waren sie geschaffen, gelangten die ersten Grammasiten auch schon in die Freiheit
    und vermehrten sich unkontrolliert. Mutationen und Hybridformen waren die Folge, die sich besonders in den Untergeschossen ausbreiten konnten. In der Bibliothek selbst
    sind sie glücklicherweise recht selten und werden rücksichtslos bekämpft.
    DER WARRINGTON-KATER, ehemals CHESHIRE CAT
    – Führer zur Großen Bibliothek

    Ich hatte genug vom 22. Untergeschoss und machte mich auf
    den Weg zu den Aufzügen. Ein Gefühl bevorstehenden Unheils
    bewirkte, dass meine Nackenhaare sich sträubten.
    Ich drückte auf den Knopf, aber es rührte sich gar nichts. Hastig lief ich zur anderen Seite des Korridors, wo die anderen
    beiden Aufzüge waren, aber dort hatte ich genauso wenig
    Erfolg. Ich überlegte gerade, ob ich zur Treppe laufen sollte, als
    ich ein Geräusch hörte. Es war ein weit entferntes, leises Stöhnen, wie ich es noch nie gehört hatte und nie wieder hören
    möchte. Ich stellte den Sack mit dem Kopf ab und spürte, dass
    meine Handflächen feucht wurden. Obwohl ich mir einzureden
    versuchte, ich wäre ganz ruhig, drückte ich noch dreimal hektisch den Rufknopf und griff dann nach meiner Pistole. Ein
    fliegender Schatten erschien in den Tiefen des Korridors. Er
    hielt sich in der Nähe der Regale und sah teils wie ein Geier,
    teils wie eine Echse und eine Fledermaus aus. Das Geschöpf war
    größtenteils von grauem Fell bedeckt und trug gestreifte Socken. Allerdings war es die bunte Weste, was mich doch sehr an
    seinem Geschmack zweifeln ließ.
    Einmal hatte ich so ein Ding schon gesehen. Es war ein
    Grammasit. Und obwohl es nicht besonders gefährlich aussah,
    war es sicher sehr schädlich. Es war vermutlich kein Zufall, dass
    sich die Bewohner des Brunnens so hastig versteckt hatten.
    Aber der Grammasit schoss vorbei, ohne mich zu bemerken,
    und war alsbald verschwunden. Alles, was zurückblieb, war ein
    dumpfes Grollen, das so ähnlich klang wie entferntes Artilleriefeuer.
    Ich entspannte mich etwas und erwartete, dass der Brunnen
    wieder zum Leben erwachte. Aber es rührte sich nichts. Nur in
    einiger Entfernung, noch hinter dem Geschlachteten Lämmlein
    hörte ich aufgeregtes Getümmel. Ich drückte erneut auf

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