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03 - Keiner wie Wir

03 - Keiner wie Wir

Titel: 03 - Keiner wie Wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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stützte.
    »Tina ...«
    Sie hörte es nicht. Die Stirn zierten inzwischen unzählige Runzeln, Tina starrte zu Boden, schien intensiv nachzudenken. Und als die beiden älteren Personen im Raum davon überzeugt waren, sie würde einfach umfallen, in Wahrheit hatte Doktor Grant sich bereits in Position begeben, um den schmalen Körper aufzufangen, ertönte plötzlich ihre nüchterne Stimme. »Jonathan …?«
    Dessen Erleichterung war unüberhörbar. »Tina, bitte, gib die Hoffnung nicht auf! So etwas muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass ...«
    »Jonathan!« Es kam eindringlicher.
    Der sah zu seiner Frau, doch die wirkte ebenso ratlos und erschrocken, wie er sich fühlte. Neben all dem Grauen, das sie am heutigen Tag bereits heimgesucht hatte, war dies in sich eine vernichtende Situation.
    »Du musst das aufhalten!«, wisperte Tina.
    Behutsam streichelte er die fahle Wange der jungen Frau, die starr den Boden anvisierte. »Ich gebe mein Bestes, Liebes. Aber mir sind die Hände ...«
    »Nein!« Erst jetzt sah sie auf, der Blick aus riesigen Augen schien ihn in seiner unerwarteten Intensität zu durchbohren. »Du musst irgendwas unternehmen! Sofort!«
    Endlich begann der Arzt, zu begreifen. »Tina, was ist los?«
    »Das Baby ...« Alles Blut hatte ihr Gesicht verlassen, die Lippen waren kaum noch darin auszumachen. »Jonathan, bitte!«
    Er schaltete sofort, war in der nächsten Sekunde ausschließlich Doktor. Das Aufkeuchen seiner Frau nahm Mr. Grant genauso wenig wahr, wie ihn momentan die grauenhaften Ereignisse des Tages tangieren konnten. »Du erwartest ein Kind?« Sie nickte, lebhafte Angst entstellte ihr ohnehin bereits geisterhaft wirkendes Gesicht.
    »Und du glaubst, es geht erneut schie...«
    » Unternimm etwas! «, brüllte sie unvermittelt und beendete damit das Verhör.
    * * *
    J onathan Grant unternahm etwas.
    Obwohl es nach allen logischen und medizinischen Gesichtspunkten nicht den geringsten Sinn ergab und jeder vernünftige Arzt der Natur ihren Lauf gelassen hätte.
    Zu früh, viel zu früh!
    Vernunft jedoch wohnte momentan nicht in jenem kleinen Appartement, in das für kurze Zeit das Glück eingekehrt war. Damals, vor vier Wochen, in einem anderen Leben, möglicherweise sogar einer anderen Epoche ...
    Mr. und Mrs. Grant waren nicht halb so zuversichtlich, wie sie Tina Glauben machen wollten. Ja, manchmal ging eine Lösegeldforderung ein, oft aber hörte man nie wieder etwas von den Vermissten. Daniel war ihr einziger Sohn und sie liebten ihn mehr als ihr eigenes Leben.
    Für ihn wahrten sie Haltung. Ebenso wie Tina es tat.
    Keine Träne floss. Weder an jenem grauenvollen Schicksalstag, noch später.
    An diesem Nachmittag nahmen Doktor Jonathan Grant und dessen Schwiegertochter einen nach allen Prognosen aussichtslosen Kampf auf, den zumindest der Arzt in jedem anderen Fall niemals begonnen hätte.
    Doch möglicherweise existierte diesmal kein:
    »Versucht es einfach noch einmal ...«
    Das wischte jede ärztliche Vernunft beiseite und machte sie gegenstandslos.
    Der Krankenwagen traf zehn Minuten, nachdem der Arzt ihn gerufen hatte, ein.
    Bevor die Rettungskräfte Tina hinaustragen konnten, hielt sie die Männer zurück, die Augen wirkten überdimensional in dem weißen Gesicht. »Mein MP3-Player! Ich brauche meinen MP3-Player!«
    Hektisch sah Mrs. Grant sich um und fand das gewünschte Gerät schließlich im Sessel, über dem eine grausam fleckige, altrosa Wolldecke lag.
    Und als Tina den kleinen, unscheinbaren Gegenstand in Händen hielt, war sie ruhig …
    * * *

naufhörlich verrinnt die Zeit …
    … in angeblich konstanter, nicht beeinflussbarer Geschwindigkeit.
    Sie stellt die Größe dar, die in ihrer Beständigkeit nicht zu überbieten ist. Jene alte Dame, die sich noch nie der Korruption schuldig machte.
    So heißt es ...
    Doch Sekunden, Minuten, Stunden, Tage und Wochen bieten in der Realität keine Kontinuität. Sämtliche Wissenschaftler laufen da einem gewaltigen Irrtum auf.
    Sind wir glücklich, erscheint uns eine Stunde nicht länger als ein Wimpernschlag. Für die Unglücklichen unter uns jedoch kann selbst eine Minute zur grausamen Unendlichkeit geraten.
    Jede Sekunde wird mühsam erkämpft, nur, um sich dann seufzend und mit hängenden Schultern dem Kampf mit der nächsten zu stellen.
    Eines aber bleibt immer gleich. Ob wir nun zu den eher Glücklichen oder Unglücklichen gehören, die in die Verlegenheit werden, einige Jahre auf dieser Welt zubringen zu müssen:
    Die Zeit lässt

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