03 - Keiner wie Wir
derart tief in der Klemme saß. Reynolds Sohn hatte dieses Desaster auf dem Gewissen. Dessen unterirdische Managerleistung und allzu arrogante Art, mit der er sich gern mal vor den internationalen Medien produzierte, kamen überhaupt nicht gut an.
Der Ruf des Unternehmens drohte in den Keller zu rasseln, im Internet war ein Shitstorm losgebrochen, wie ihn selbst Tina selten zuvor erlebt hatte, Finanziers drohten vermehrt, sich zurückzuziehen und Kunden, von ihren Aufträgen Abstand zu nehmen. Einige hatten ihre düsteren Prophezeiungen bereits wahr gemacht. Schadensbegrenzung war angesagt.
Reynolds schien so verzweifelt, dass Geld für ihn offenbar keine Rolle mehr spielte. Mit anderen Worten: Tina konnte ohne Rücksicht auf Verluste alle erforderlichen Register ziehen. Und genau das tat sie dann auch ...
In den gängigen Tageszeitungen schaltete sie Ganzseitenannoncen, verhandelte bis mitten in die Nacht des folgenden Tages mit den einzelnen Redaktionen (Gott schütze die Koffeintabletten), schickte Korrekturfahnen hin und her und deichselte nebenbei noch schnell eine Spot-Schaltung bei den fünf führenden Unterhaltungssendern.
Zeitgleich organisierte sie auf der Homepage des Unternehmens ein Gewinnspiel, was die Gemüter der aufgebrachten, aber gierigen User besänftigte. Selbstverständlich nach einer formvollendeten Entschuldigung im Namen des Firmeninhabers und dessen unfähigen Sohnes.
Reynolds kostete der gesamte Spaß übrigens inzwischen ein mittleres Vermögen .
Am Samstag (inzwischen hatte Tina es auf sage und schreibe drei Stunden Schlaf am Konferenztisch gebracht), beschäftigte sie sich beinahe ausnahmslos mit der Produktion des Werbespots. In solchen höchst riskanten Krisensituationen kümmerte sich Tina besser selbst darum. Nur sie wusste, worauf es ankam und verfügte über ihre eigene Vertragsagentur, die ihr zur Not auch mitten in der Nacht die erforderlichen Darsteller bereitstellte. Gewerkschaften hin oder her.
Viel schwieriger wurde es, eine Produktionsfirma ausfindig zu machen, die so kurzfristig arbeitete. Wieder einmal musste Reynolds sein Scheckbuch zücken. Anstatt sich darüber zu echauffieren (was üblicherweise durchaus seiner Art entsprach, der Typ saß sonst mit seinem riesigen Hintern auf dem Geld), schien der geradezu begeistert zu sein, ein weiteres Mal ein Vermögen berappen zu dürfen.
Und als der Montagmorgen heranbrach, war alles getan.
Tina lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Das stellte selbst für ihre Verhältnisse eine Glanzleistung dar. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand anderes Ähnliches in der gleichen Zeit zustande gebracht hätte. Zum Umfallen müde und erschöpft, irgendwann versagten auch die besten Koffeintabletten, fühlte sie sich dennoch unvorstellbar zufrieden. Schon, weil Reynolds vor lauter Dankbarkeit beinahe vor ihr auf die stämmigen Knie sank.
Davon überzeugt, wenigstens einige Stunden zu schlafen, bevor sie sich auf den Heimweg begab, fegte sie eine halbe Stunde später in die Hotellobby. Kaum stand sie in dem unpersönlichen Zimmer, überfiel sie akutes Heimweh und bisher ungekannter Ekel vor dem fremden Bett. So stark, dass nicht einmal Tina in ihrem total entkräfteten Zustand dem etwas dagegenzusetzen hatte.
Sie wollte nach Hause, die Sehnsucht war plötzlich übermächtig. Auch wenn sie vielleicht eine Weile auf Daniel warten müssen würde, ehe sie ihm erzählen konnte, dass sie soeben bildlich gesprochen einige Kontinente versetzt hatte.
Daher gönnte sich Tina nur eine eilige Dusche und rauschte mit ihrem Koffer, den sie nicht einmal ausgepackt hatte, aus dem Hotelzimmer. Kurz darauf checkte sie aus und begab sich auf dem schnellsten Weg zum Airport.
Über zwei Stunden musste sie warten, bis der nächste Direktflug nach New York ging. Tina verbrachte sie dösend auf einem der unbequemen Stühle in der Abfertigungshalle. Glücklich im Flugzeug, konnte das Mistteil aufgrund technischer Schwierigkeiten ewig nicht starten. Die lösten sich leider nicht in Wohlgefallen auf, doch erst eineinhalb Stunden später entschloss sich die Fluggesellschaft schweren Herzens, eine Ausweichmaschine bereitzustellen.
Bis diese auch startklar gemeldet wurde, vergingen noch einmal knapp zwei Stunden. Und als sie dann abhoben, drohte der Nachmittag bereits akut, in den frühen Abend überzugehen. Inzwischen war Tina nicht nur todmüde, sondern darüber hinaus bis zu den Haarwurzeln gereizt.
Den Zweistundenflug verbrachte Tina in
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