03 - Keiner wie Wir
hat? Freundinnen , keine Bekanntschaften für eine Nacht, wohlgemerkt. Er unterstellte mir, ich würde mir ein Plagiat nach dem anderen suchen und empfahl mir auf seine wohlwollende und zuvorkommende Art, mich besser an das Original zu halten ...«
Die dunkle Stimme wurde immer verhaltener, er hielt sie fest im Arm, die Finger in ihrem Nacken, und Tina schloss die Lider.
»Ich kann dir nicht genau sagen, ab wann ich dich liebte, das wird wohl auf ewig vage bleiben. Aber damals zu gehen ... Du hast keine Vorstellung, wie schwer mir das fiel. Ich wollte nicht fahren, sondern bei dir bleiben und den ganzen Mist mit Afrika vergessen. Meine Karriere war plötzlich total unwichtig, jedenfalls nicht annähernd bedeutend genug, um dich deshalb zu verlassen. Du hattest mich ...« Sie hörte ihn grinsen. »... vollständig an den Eiern. Wie sehr hast du garantiert auch nicht geahnt. Und gerade deshalb konnte ich gar nicht schnell genug rennen. Panik ist ein Scheißdreck gegen das, was ich an diesem Morgen empfand. Ich prügelte dich aus meinem Kopf, versenkte mein Handy in irgendeinem verdammten See, versuchte es! Irgendwie ... Funktioniert hat es trotzdem nicht. Du bist die schlimmste Heimsuchung, die mir jemals begegnet ist, aber ich liebe dich. Möglicherweise, weil du bist, was du bist. Und ich würde mein verhunztes Bett darauf verwetten, dass du nicht den geringsten Schimmer hast, wie sehr ich dich liebe. Ich will mit dir zusammen sein, das ist alles, was ich mir wünsche und natürlich, dass du auch so etwas in der Art planst.«
Und wieder zog sich ihr Schweigen ärgerlich in die Länge. Diesmal verdrehte er nicht die Augen, Daniel seufzte auch nicht, obwohl er ihre Reaktion nicht verstand. Liebe stellte für ihn keine an den Haaren herbeigezogen Angelegenheit dar, sondern ein Faktum. Vielleicht, weil er von seinen Eltern ständig damit überhäuft wurde. So etwas blieb bei keinem Menschen wirkungslos, selbst wenn er während seiner Kindheit häufig das Gefühl gehabt hatte, endgültig unter diesem dichten Mantel der Zuneigung und Sorge zu ersticken.
Tina fehlte es nicht an Mut, eher an Überwindung.
Zu lange schon lebte sie mit diesem besonderen, geheimsten aller geheimen Gefühle. Sie hatte noch nie jemandem davon erzählt, abgesehen von ihrer Mom, und in diesem Fall stellte es die Beantwortung einer Frage dar, sie musste es nicht wirklich aussprechen.
Praktisch hatte sie diese Abfolge von Worten noch nie gesagt! Unmöglich, es gedankenlos daher zu plappern. Und außerdem, warum musste er das denn unbedingt hören? Sie zeigte es doch! Nein, sie wurde auch nicht von einem Rückfall in den Trotz heimgesucht. Tina brachte es bloß nicht zustande, dieses ultimative Tabu, diese Tatsache, die aus verschiedenen Gründen bisher verboten gewesen war und sich dennoch nie ändern würde, plötzlich auszusprechen und damit endgültig zu besiegeln.
Wenn man ein Geheimnis zu lange unausgesprochen gelassen hat, dann ist es nicht mehr in Worte fassbar.
Auch dies war eine Erkenntnis des heutigen Abends, wenn auch eine fehlerbehaftete.
Unmöglich! Eher wäre sie gestorben.
Nach einer Weile resignierte Daniel. Seufzend zog er sie fester in seine Arme und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar.
Egal, welches Lied gerade spielte und wie rockig die Musik auch wurde (der DJ konnte ja nicht den ganzen Abend nur für dieses außergewöhnliche Paar auflegen), sie trennten sich kein einziges Mal. Nur einmal hob Daniel den Kopf und betrachtete Tina mit bedeutungsvollem Lächeln. »Dein Lied!«
Auch sie lächelte. »Ich habe es nicht vergessen.«
»Gut.«
Damit bettete er seine Wange wieder in ihrem Haar, schloss die Augen und die beiden bewegten sich zu jenen Klängen, die nur in ihren Köpfen zu existieren schienen.
* * *
I rgendwann wussten sie unabhängig voneinander, dass sie gehen wollten.
Weder Tina noch Daniel fühlten sich unwohl. Der Club war einer von der gemütlicheren, kleineren Sorte, er erinnerte ungemein an das PITY und somit an vergangene, nicht immer unbedingt schlechte Tage. Doch – genau wie im PITY – hielten sich hier so verdammt viele Leute auf!
Sie verzichteten auf ein Taxi und liefen Hand in Hand in der lauen Sommernacht nach Hause. Tina unternahm keine Anstalten, das Schweigen zu brechen. Daniel hielt das für eine sehr weise Entscheidung und passte sich an.
Erst, als sie im von Altrosa beherrschten Wohnzimmer saßen, grinste Tina. »Findest du nicht, dass hier noch ein hübsches Bildchen
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