03 - Keiner wie Wir
Gewöhne dich lieber daran, dich auch in diesem Licht zu sehen und nicht so verdammt perfekt. Irgendwann lässt der erste Schock nach, diesbezüglich kenne ich mich bestens aus!«
»Oh, wenn das so ist, bleibt Raum für Hoffnung.« Andächtig küsste er ihre Schulter, dicht am Halsansatz. »Ich mochte dich, als wir am College waren«, fuhr er bedeutend dunkler und verhaltener fort. »Nicht so eckig und kantig ... nimmst du mir das wenigstens ab?«
»Vergiss es! Ich weiß, was du vorhast.«
»Was denn?«
Endlich wandte sie sich um und musterte ihn spöttisch. »Du willst mir also weismachen, dass ich damals fantastisch aussah und keineswegs fett war? Um der Wahrheit die Ehre zu geben, liebtest du mich viel mehr, als heute? So ist das? Ich verstehe nicht, wie mir das entgehen konnte. Was wäre alles anders gekommen, hätte ich nur gewusst ...«
Daniel machte Anstalten, etwas einzuwerfen, doch sie kam ihm zuvor. »Das ist mir echt entgangen und mir will nicht in den Kopf, weshalb! Ach!« Theatralisch schlug sie sich mit einer Hand leicht an die Stirn »Möglicherweise lag es daran, dass dies die Zeit war, in der du in jeder verdammten Nacht eine andere Schlampe in dein Bett entführt hast!« Ihre Augen verengten sich. »Vergiss es! Mit diesem Schwachsinn wirst du mich niemals dazu bringen, schön fett und rund zu werden. Was ich übrigens für hochgradig schizophren halte. Aber das hatten wir ja bereits geklärt. Es wird nicht funktionieren!«
Oh, wie gern hätte er ihr das eine oder andere gesagt, ihr beispielsweise zum unzähligen Male erklärt, dass sie ehrlich nicht ganz rund lief, obwohl Tina das mittlerweile für eine Grußformel halten musste. Doch auch Daniel hatte gelernt und daher verzichtete er am Ende auf jede Erwiderung. Es wäre nämlich nur der Auftakt für die Ausweitung dieser Diskussion geworden, und darauf verzichtete er dankend. Bevor dieses Thema zur Wiedervorlage auf den Tisch kam, würde mindestens ein Jahr vergehen, wenn nicht mehr. Denn, was Tina nicht unbedingt erfahren musste: Daniel rechnete nicht damit, dass es so schnell funktionieren würde. Dazu war sie schlicht und ergreifend zu dünn.
Aber, das hieß noch lange nicht, dass man nicht schon mal ausgiebig für den Ernstfall trainieren konnte. Eine Überzeugung, die Tina übrigens teilte.
Und mit jeder Minute, die sie an jenem Wochenende im Bett verbrachten, sah sich Daniel einmal mehr in seiner Annahme bestätigt, dass es tatsächlich nicht ratsam war, jede Angelegenheit unbedingt auszudiskutieren und seine – mit Sicherheit korrekte – Ansicht auch ohne Rücksicht auf Verluste an die Frau zu bringen.
Was wäre ihm nicht alles entgangen, hätte er sich an sein altes Credo gehalten!
* * *
n den folgenden Wochen stellten Daniel und Tina das dar, was sie eigentlich – hätten sie sich mal an die Vorgaben des Schicksals gehalten - bereits seit über einer Dekade gewesen wären:
Ein Liebespaar.
Unabhängig voneinander waren beide zu dem Schluss gelangt, dass der Versuch zwar zum Scheitern verurteilt, eine Niederlage in bestimmten Situationen jedoch durchaus vertretbar war. Denn sie bemühten sich nach Kräften, die verlorenen Jahre nachzuholen, wettzumachen, zu tilgen – irgendwie auszumerzen.
Ihre relativ laxe Einstellung zur Arbeit behielten beide trotz begrabenen Kriegsbeils bei. Tina lehnte alles ab, was auch nur möglicherweise eine Geschäftsreise nach sich gezogen hätte. Und mittlerweile war ihr egal, dass sie dies vielleicht den einen oder anderen guten Auftrag kosten konnte. Schließlich wollte sie ein Baby und würde ihre Arbeit ohnehin neu organisieren müssen. Nicht zuletzt betraf die zu erwartende Umstellung ihre Kunden. Neuerdings hielt Tina sich strikt an ihre Bürozeiten: von neun bis sechs.
Sehr strikt.
Daniel war es übrigens gelungen, sich genau diese Arbeitszeiten in der Klinik zu sichern.
Dauerhaft.
Sollte in seinem Ärztestab darüber die eine oder andere Kritik laut geworden sein, verstand Maggie es hervorragend, das vor ihm zu verbergen. Was nicht bedeutete, dass es dem, spätestens jetzt, bis über beide Ohren verliebten Leiter der Klinik besonders nah gegangen wäre. Jahrelang hatte er seinen Kollegen in Sachen Privatleben den Rücken freigehalten, wofür die ihm seiner Ansicht nach endlich eine Entschädigung schuldeten.
Daniels Geburtstag verbrachten die beiden bei Edith und Jonathan in Ithaka.
Erst dieser Besuch wurde für Tina zur wahren Heimkehr, denn er gestaltete sich ganz anders, als
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