03 - komplett
Luder, dich so zu quälen?
Und wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich meinen Fehltritt zutiefst bereue?“ Er sprang auf und ging zur Tür.
„Mutter war gestern hier und hat nach dir gefragt. Ich glaube, sie will dich sehen.“
Jakes Ton war plötzlich gleichgültig geworden. Er holte eine Schnupftabaksdose aus seiner Tasche und nahm genüsslich eine Prise.
Adam brachte seine Beherrschung mühevoll wieder unter Kontrolle, bevor er knapp nickte. „Ich werde sie unverzüglich aufsuchen. Ich hätte sie wissen lassen sollen, dass ich einige Tage aufs Land reise.“ Mit diesen Worten öffnete er die Tür, doch die Stimme seines Bruders ließ ihn innehalten.
„Mit wem war sie zusammen?“
„Mit Tobias Sheldon im George and Dragon an der Great North Road“, antwortete Adam knapp.
Jake sank wieder in den Sessel zurück. „Mit Sheldon?“, fragte er ungläubig.
Adam konnte in Jakes Miene lesen, dass er überrascht war, wenn nicht gar ein wenig beeindruckt, zu erfahren, wer die letzte Eroberung seiner Gattin gewesen war.
„Ja, ich dachte auch, dass er einen besseren Geschmack besitzt“, sagte Adam und schloss die Tür.
10. KAPITEL
„Wie geht es dir?“, fragte Sylvie.
John nickte und murmelte eine Antwort, aber Sylvie konnte seine Worte nicht verstehen, so leise waren sie. Sie nahm an, dass er gesagt hatte, es gehe ihm gut, aber sie spürte, dass er zutiefst betrübt war, und das machte ihr das Herz schwer.
Rasch stieg sie von ihrer Stute ab und band das Pferd an einem Baum fest. Die Strahlen der Frühlingssonne fielen durch das grüne Blätterdach des kleinen Wäldchens. Vogelgezwitscher erfüllte die Luft.
„Sind dir deine Eltern immer noch böse?“, fragte Sylvie und schaute ihn mit ernster Miene durchdringend an. Sie vermutete, dass dies der Grund seiner Melancholie war.
John zuckte die Schultern und zwang sich zu einem Lächeln.
„Sind sie wütend, weil ich dir geschrieben habe? Wollen sie, dass ich dich nicht länger belästige?“ Die Fragen sprudelten nur so aus ihr hervor.
Sylvie wusste, dass sich ihre Väter bei mehreren Gelegenheiten zufällig im Dorf begegnet waren. Ihr Vater wollte nicht erzählen, was zwischen ihnen vorgefallen war, doch von Satzfetzen, die sie zufällig aus einem Gespräch ihrer Eltern aufgeschnappt hatte, wusste sie, dass zwischen den Vances und den Merediths in gewisser Weise eine Fehde herrschte. Loyalität zu ihren Kindern veranlasste beide Parteien dazu, dem jeweils anderen die Schuld für das Fiasko zuzuschreiben.
Seit ihrer Rückkehr hatte sie John nicht mehr gesehen. Sie vermutete, dass er sich dem Wunsch seiner Eltern gebeugt hatte und sich von ihrem schlechten Einfluss fernhielt. Der Gedanke, dass er ihr abtrünnig geworden war, verletzte sie, denn vor gar nicht langer Zeit waren sie die besten Freunde gewesen, so gut, dass sie sogar im selben Raum gegessen und geschlafen hatten. Als die Tage vergingen und er kein Wort von sich hören ließ, kam es ihr vor, als sei die Feindschaft ihrer Eltern ansteckend. Eine schweigsame Schlacht der Willensstärke schien sich zwischen ihnen entwickelt zu haben, und nur die Zeit würde zeigen, wer zuerst nachgeben und Kontakt mit dem anderen aufnehmen würde.
Da sie nicht mehrere Monate nach London gehen konnte, ohne sich von ihrem besten Freund zu verabschieden, hatte Sylvie schließlich ihren Stolz heruntergeschluckt und John gebeten, sie zu treffen. Gestern hatte der Stallbursche Frederick ihm die Nachricht überbracht.
„Sie wissen nichts von deinem Brief“, sagte John. „Ich war ihm Hof, als Fred kam.
Außerdem ...“, sagte er ein wenig pikiert, „ist das eine Privatsache zwischen uns beiden und geht sie nichts an.“
„Aber sie sind uns in der Tat immer noch böse, nicht wahr?“, fragte Sylvie ruhig.
John nickte.
„Es tut mir leid, John“, sagte Sylvie bedauernd. „All das ist meine Schuld. Ich wollte dir gewiss keinen Ärger bereiten. Ich hätte dich nicht dazu überreden sollen, mit mir durchzubrennen. Du hast mir versucht zu sagen, dass es falsch ist und allen nur Kummer bereiten würde, aber ich war zu dickköpfig, um deinen guten Rat anzunehmen.“
„Ich wollte es ebenso sehr wie du“, warf John brüsk ein. „Ich wünschte, wir wären nie zurückgekommen.“
Sylvie blickte ihn forschend an. Sein unerwarteter Ausbruch überraschte sie.
„Damals wirktest du weniger entschlossen, die Reise fortzusetzen.“
John blickte auf seine Stiefel. „Ich wollte weiterfahren, aber ich wusste, dass
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