03 - komplett
zu finden, den sie gar nicht wollte. Und das alles nur, um ihren Eltern zu zeigen, dass sie bereute und sie liebte. June tat es leid, Sylvie in dieser misslichen Lage zu sehen, denn eine Ehe bedeutete so viel mehr, als lediglich einen Mann zu finden, der mit einem sein Haus teilte.
June beobachtete, wie Sylvie sich aufs Sofa setzte und uninteressiert durch die Seiten eines Modemagazins blätterte. Ihre Blicke schweiften von den Seiten zum Fenster zur Tür. Sie war in Gedanken, das war offenkundig, und June fragte sich, ob Erinnerungen an John Vance der Grund für ihre Zerstreutheit waren.
Gleich darauf schloss Sylvie das Magazin und ging zum Fenster. An diesem Nachmittag strahlte die Frühlingssonne am Himmel und tauchte die Straße in ein goldenes Licht. Sylvie seufzte. Kaum mehr als eine Woche weilte sie in London, doch sie sehnte sich bereits zurück nach Windrush. In der Stadt zu leben, bereitete ihr keine Freude. Zudem hatte sie unter den kichernden jungen Damen nur wenige Freundinnen gefunden. Wie sie nahmen sie an den exklusiven Bällen und Gesellschaften in der Hoffnung teil, einem passenden Verehrer zu begegnen.
Und in dieser Hinsicht hatte sie bereits einige Erfolge vorzuweisen. Sir Alan Montague und Mr. Stephen Shepherd hatten sie wissen lassen, dass sie sie mochten.
Aber auch wenn ihr die Herren nicht gänzlich zuwider waren, so weckten sie in ihr auch keine stärkeren Gefühle. Also hatte Sylvie charmant ihre Avancen abgewehrt, ohne anzudeuten, dass alle Hoffnung vergeblich war. Sie wusste, dass sie einen Gatten finden musste, aber von allen Gentlemen, die bisher für diese Rolle infrage kamen, erschien ihr Guy Markham noch am sympathischsten. Allerdings hatte sie ihn bisher nicht getroffen. Auf ihre Frage hatte William geantwortet, die Pflichten hinsichtlich der nahenden Hochzeit seiner Schwester hätten den armen Burschen wohl in Hertfordshire aufgehalten.
„Ist Guy Markham inzwischen in der Stadt eingetroffen?“, fragte sie nun.
„Ich habe ihn vorhin im White’s getroffen“, sagte William. „Er hat nach dir gefragt, Sylvie, und freut sich schon darauf, dich wiederzusehen. Er erwähnte, ebenfalls bei Lady Burdett eingeladen zu sein.“
Sylvie strahlte. „Oh, dann müssen wir auf jeden Fall gehen!“
June und William tauschten einen vielsagenden Blick. Beide erstaunte es, mit welcher Begeisterung Sylvie die Nachricht von Guys Ankunft aufnahm. „Ich hätte nicht gedacht, dass seine Anwesenheit deine Laune so erheblich bessern könnte“, meinte June und blickte ihre Schwester schalkhaft an.
Sylvie drehte verlegen eine Locke um ihren Finger. „Mr. Markham hat mir versprochen, mich zu einer Ausfahrt im Hyde Park einzuladen. Außerdem ist es schön zu wissen, dass er das nächste Mal, wenn wir zu einer dieser drögen Veranstaltungen bei Almack’s gehen, da sein wird, um mich zu unterhalten.“
„Dir schien es letztens nicht an Partnern zu mangeln, Sylvie“, erwiderte June. „Deine Tanzkarte war bereits fünfzehn Minuten nach deiner Ankunft voll.“
Sylvie zog eine Schnute. „Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte jeden Tanz mit Mr.
Markham tanzen können. Er ist ein besserer Gesellschafter als all diese eitlen Gecken.“
„Nicht mehr als zwei Tänze mit ein und demselben Gentleman, so lautet die Regel.
Kein skandalöses Verhalten mehr, bitte sehr“, warnte June ernst, aber sie schmälerte ihren Tadel gleich durch ein herzliches Schmunzeln. „Und dabei dachte ich, du fändest auch Mr. Shepherd ausgesprochen nett“, sagte sie scherzend.
„Ich könnte ihn noch besser leiden, wenn er sich kein Rouge auf die Lippen schmieren würde.“
„Sir Alan Montague?“, fragte June.
„Ich weiß nicht. Er verwendet eine Brennschere, um sich seine Haare zu locken.“
„Woher weißt du das?“, fragte June lachend.
„Seine Haare waren ganz offenkundig an einigen Stellen angesengt, und ich dachte, das sollte ich erwähnen. Daraufhin führten wir ein anregendes Gespräch, welche Größe für eine Brennschere wohl ideal wäre, damit man schöne Locken erhält, ohne sich das Haar zu verbrennen.“
„Ich denke, ich ziehe mich jetzt in mein Arbeitszimmer zurück. Ich muss mich von dieser Bemerkung erholen, sonst verliere ich heute Abend noch ein Vermögen“, unterbrach William, bevor er in Gelächter ausbrach. „Ich weiß, dass Sir Alan bei Lady Burdetts Gesellschaft zugegen sein wird. Er ist ein geschickter Farospieler, gleich, in welchem Zustand sich sein Toupet befindet.“
Lord
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