03 - komplett
Abend mit Beschlag belegen“, sagte Guy Markham und gesellte sich zu den beiden. Dabei tat er so, als hätte er das verärgerte Knurren, das Hugo über die unerwünschte Störung von sich gab, nicht gehört. „Miss Meredith, würden Sie mir die Ehre erweisen, eine kleine Erfrischung mit mir zu nehmen?“ Guy bot Sylvie höflich den Arm. Dankbar lächelnd schlüpfte sie an ihrem Peiniger vorbei und ließ sich zum Buffet geleiten.
„Was darf ich Ihnen holen?“, fragte Guy galant.
„Nichts, danke. Mir ist ein wenig übel“, sagte Sylvie zaghaft lächelnd.
Guy warf einen Blick über die Schulter zu Hugo Robinson, der sie mit finsterer Miene beobachtete. „Der Knabe hat dieselbe Wirkung auf mich“, sagte er ruhig.
Sylvie schaute zu Guy auf und sah das Mitgefühl in seinen Augen. Spontan sagte sie:
„Danke, dass Sie mich gerettet haben. Ich kann ihn nicht ausstehen, dennoch hat er es geschafft, meine Mutter Glauben zu machen, er sei charmant und eine gute Partie. Eine wahre Meisterleistung für solch einen Flegel, denken Sie nicht auch?“
Guy lachte zustimmend. „Er ist gewiss ein unangenehmer Mensch. Vorhin hat er sich über Janet lustig gemacht. Er weiß, was ich von ihm halte.“
„Er weiß auch, was ich von ihm halte. Unglücklicherweise dringt keine wohlverdiente Beleidigung in seinen dicken Schädel vor. Er ist solch ein arroganter Dummkopf!“
Über Sylvies Nachdrücklichkeit erstaunt, musterte Guy sie forschend. „Sie gefallen ihm, wissen Sie. Das hat er mir gesagt.“
Sylvie nickte bedrückt. „Ich weiß. Aber ich werde ihn niemals heiraten. Einen Gatten muss ich mir allerdings dennoch suchen.“
Guy neigte den Kopf und blickte ihr ins Gesicht. Sie wirkte niedergeschlagen. „Wozu die Eile? Dazu bleibt Ihnen noch jede Menge Zeit. Liebe Güte! Sie sind ja fast noch ein Kind! Wahrscheinlich nicht einmal zwanzig.“
„Ich bin zwanzigeinhalb Jahre alt, und meine Mutter möchte mich verheiratet sehen, bevor ich ...“ Sie hielt inne, denn sie hatte nicht die Absicht zu verraten, warum ihre Mutter sie schnellstmöglich unter die Haube zu bringen versuchte. Guy zeigte sich ihr gegenüber sehr freundlich, aber sie vermutete, dass selbst er sie mit Abscheu betrachten würde, wenn er wüsste, dass sie durchgebrannt war und eine Nacht in einem Gasthof mit einem Mann verbracht hatte. Auch wenn sie als Jungfrau zurückgekehrt war. „Ich nehme an, das ist es, was sich Mütter und Väter, die ihre Kinder lieben, für sie wünschen: sie abgesichert zu sehen, besonders die Töchter.“ Sie lachte leise. „Ich war nicht immer so schicklich, wie es sich für eine Dame geziemte, wie Sie vielleicht wissen.“
Guy grinste. „Ich weiß noch, wie Sie und ihre Schwestern uns als Kinder in Spire Park besuchten, um mit Janet zu spielen. Sie waren immer diejenige, die auf die Bäume geklettert ist, um Äpfel zu pflücken oder Kastanien von den Ästen zu schütteln. Ich hielt Sie immer für ein hübsches Mädchen, aber Sie sind inzwischen auch sehr charmant. Reizendes Kleid. Die Farbe steht Ihnen vorzüglich.“
Strahlend lächelnd, dankte Sylvie ihm für das Kompliment. Sie hatte von Guy kaum Notiz genommen, wenn sie in Spire Park zu Besuch weilten. Nun bereute sie, die Gelegenheit versäumt zu haben, ihn als Freund zu gewinnen. Vermutlich hätte sie in seiner Gesellschaft mehr Spaß gehabt als mit seiner Schwester. Janet war nie unternehmungslustig gewesen und hasste es, sich im Freien aufzuhalten. Sylvie schätzte Guy auf dasselbe Alter wie Lord Rockingham, den sie indes wohl niemals zum Freund gewinnen würde. Dieser Gedanke ließ ein seltsames Gefühl des Verlustes in ihr aufsteigen.
Anfang der Woche hatte sich Seine Lordschaft von ihrer Familie verabschiedet und gemeint, er wolle am folgenden Tag nach London zurückkehren. William hatte versucht, ihn zum Bleiben zu überreden, ebenso wie ihre Eltern, doch Lord Rockingham hatte höflich abgelehnt. Sein Entschluss, Hertfordshire zu verlassen, war wohl unmittelbar mit der Tatsache verknüpft, dass er sie nicht wiedersehen wollte, nahm Sylvie an.
Er fand sie abstoßend, nicht nur weil sie durchgebrannt war, sondern weil sie dazu auch noch falsche Anschuldigungen gegen ihn erhoben hatte. Nun kannte sie die Wahrheit über Lady Townsend und ihr Verhältnis zu Lord Rockingham. Sie wusste, er hatte nicht gelogen, denn sie hatte William nach seinem Bruder gefragt.
Jake Townsend war in Waterloo schwer verletzt worden, hatte William erzählt und bestätigt, dass
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