03 - komplett
„Gibt ja auch nichts Leichteres als so ’ne Kutsche mit Pferden umzudrehen, wo alle möglichen anderen Wagen im Weg sind.“
„Und wenn ich Ihnen einen Schilling extra für die Mühe gebe?“, fragte Sylvie und versuchte ihn mit einem strahlenden Lächeln zu überreden.
Der Kutscher blickte sie über die Schulter hinweg finster an. „Mein Leben riskieren, ganz zu schweigen von dem der Gäule, für einen läppischen Schilling? Machen Sie
’ne halbe Krone draus, und wir sind im Geschäft.“
Schnell überschlug Sylvie im Kopf, wie viel Geld sie dabeihatte, dann nickte sie. „Es ist die Karriole mit ...“
„Ich weiß, mit den schwarzen Pferden“, beendete er ihren Satz im Ton eines Märtyrers.
Nachdem der schmollende Kutscher sein Gefährt gewendet hatte, schien er aber sogar Spaß an der Verfolgung zu bekommen. Die Droschke holperte in hohem Tempo die Straße entlang. Sylvie musste sich mit beiden Händen am Türgriff festhalten, um nicht vom Sitz zu fallen, so kräftig wurde sie hin- und hergeschleudert. Sie wagte es nicht, nach draußen zu sehen, doch sie wusste, dass andere Wagen und Fußgänger ihnen gelegentlich in den Weg kamen. Das konnte sie an den kräftigen Flüchen des Kutschers erkennen, die ihre wilde Fahrt begleiteten. Plötzlich legte sich der Wagen scharf in die Kurve. Sylvie wurde an die Wand gedrückt und bedauerte zutiefst, diesen Wahnsinnigen überhaupt darum gebeten zu haben, die Verfolgung aufzunehmen. Als sie endlich ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, hielt die Kutsche an.
„He, Mister! Die Frau da drinnen will mit Ihnen sprechen“, rief der Kutscher.
Die unhöfliche Bemerkung ließ Sylvie starr vor Entsetzen werden. Als sie sich wieder ein wenig gefasst hatte, lugte sie aus dem Fenster. In Lord Rockinghams Miene war zu erkennen, dass er zweifellos neugierig war, wer die Dreistigkeit besaß, ihn zu belästigen. Sein Ausdruck hatte ihr allerdings auch verraten, dass er sich keineswegs geschmeichelt, sondern eher bedrängt fühlte.
In der attraktiven Frau, der er nun aus der Karriole half, erkannte Sylvie Lady Burdett, deren Kartenparty sie kürzlich als willkommener Gast besucht hatte. Indes würde sie wohl kaum eine weitere Einladung in ihr Haus erhalten, sollte Lady Burdett je erfahren, dass sie es war, die ihren Ausflug gestört hatte, dessen war sich Sylvie gewiss. Die jung verwitwete Countess hatte höchst verdrießlich ausgesehen, als sie hörte, dass eine andere Frau nach ihrem Begleiter verlangte.
Sylvie hörte eine Tür ins Schloss fallen. Der Kutscher pfiff darauf belustigt, kurz darauf näherten sich Schritte, und der Wagenschlag wurde geöffnet.
Nervös faltete Sylvie die Hände im Schoß. Ihr Magen war bereits in Aufruhr, und als sie in Lord Rockinghams dunkle, ernst blickende Augen schaute, wurde ihr regelrecht flau. „Ich ... ich muss Sie dringend sprechen.“
„Das habe ich mir schon gedacht“, antwortete Adam in seltsamem Ton, der Sylvie im Zweifel darüber ließ, ob er nun eher belustigt oder empört über ihre Unverfrorenheit war.
„Ich ... wir sind Ihnen gefolgt“, sagte sie leise.
„Ich nehme an, ich werde irgendwann erfahren, warum“, erwiderte er und stieg in die Kutsche.
„He, wohin, soll’s gehen?“, rief der Kutscher übellaunig. „Die halbe Krone zahlt nich’
dafür, dass Se mit ’nem Mann in meiner Kutsche sitzen oder sonst was tun, ham Se verstanden ...“
„Grove House, St. James’s“, wies Adam den Kutscher an, ohne den Blick von Sylvies errötendem Gesicht zu nehmen. Als die Kutsche anfuhr, steckte er den Kopf aus dem Fenster und rief seinem Pferdeburschen zu, er solle bei der Karriole warten, bis er zurückkehrte.
Immer noch peinlich berührt von der Äußerung des Kutschers, sagte Sylvie: „Ich ... es tut mir leid, wenn ich Ihre Verabredung mit Lady Burdett gestört habe. Sie scheint ein wenig ... verstimmt darüber zu sein. Hat Sie erwartet, dass Sie sie ins Haus begleiten?“
Adam zuckte mit den Schultern. „Womöglich, aber ich hätte sie ohnehin enttäuschen müssen. Ich habe andere Pläne für den Nachmittag und brachte sie lediglich nach Hause, weil eines ihrer Pferde lahmte, als wir uns in der Bond Street begegneten.“
Diese Erklärung ließ ihn innerlich schmunzeln, denn es war schon ein merkwürdiger Zufall gewesen, dass Deborah genau in dem Augenblick, da er sie begrüßen wollte, um der Höflichkeit Genüge zu tun, ihren Fahrer anwies, nach den Pferden zu sehen.
Und welch Wunder, der Mann hatte
Weitere Kostenlose Bücher