03 - komplett
ging sie hinunter in den Salon.
„Ich dachte schon, du würdest dir eine Ausrede einfallen lassen, warum du mich nicht empfangen kannst“, grüßte Hugo, den Arm lässig auf den Kaminsims gestützt.
„Dieser Gedanke kam mir tatsächlich“, gab Sylvie kühl zurück. „Meine Schwester ist nicht im Haus, also müssen Sie sich leider erneut bemühen, falls Sie ihr Ihre Aufwartung machen möchten.“
„Ich weiß, dass sie nicht im Haus ist. Ich habe draußen gewartet, in der Hoffnung, sie würde ohne dich ausgehen.“
Sylvie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu.
„Selbstverständlich wollte ich allein mit dir sprechen. Wir zwei haben doch Geheimnisse miteinander. Und gewiss möchtest du nicht, dass deine Schwester von diesen Geheimnissen erfährt“, meinte er mit leisem Spott.
Er kam zu ihr herüber, und Sylvie musste ihm zugestehen, dass er durch und durch wie ein Gentleman wirkte. Seine Kleidung war elegant, sein blondes Haar glänzte, und die blauen Augen musterten sie offen. Nur nach seiner äußeren Erscheinung beurteilt, konnte man wahrlich fälschlicherweise annehmen, er sei ein Ehrenmann.
„Deine Schwester hat ein schönes Haus. Sie hat auf dem Heiratsmarkt sehr viel Glück gehabt.“
„Ich bin sicher, Sie sind nicht hier, um sich über das Glück meiner Schwester zu unterhalten“, gab Sylvie bissig zurück.
„In der Tat“, meinte er. „Ich bin hier, um dich an das deine zu erinnern.“
Sylvie schaute ihn böse an. „Mein Glück?“
„Ich bin gekommen, um dir mitzuteilen, dass wir diese Woche unsere Verlobung bekannt geben werden, und um ein baldiges Datum für unsere Hochzeit festzulegen.“
„Sie müssen verrückt sein, wenn Sie annehmen, ich würde Sie als Gatten überhaupt in Betracht ziehen.“ Ihre Verachtung für ihn war deutlich in ihrer Stimme zu hören.
Hugos genüssliches Lächeln allerdings ließ Sylvie das Blut in den Adern gefrieren, zeigte es ihr doch, dass sein Selbstvertrauen unerschütterlich war.
„Ich bin verrückt, dich als Gattin in Betracht zu ziehen. Und wenn du deine scharfe Zunge nicht zügelst, werde ich meine Meinung vielleicht ändern und dich lediglich zur Mätresse machen.“
Sylvie erwiderte den Blick seiner stahlblauen, vor Genugtuung funkelnden Augen unverwandt. Doch kleine Nadelstiche der Furcht bereiteten ihr eine Gänsehaut, denn sie spürte, dass Hugo seine Trumpfkarte noch nicht ausgespielt hatte.
„Ah, ich sehe, du wunderst dich, wie ich zu der Annahme komme, dass du für diese Rolle geeignet bist.“ Seine Stimme klang einschmeichelnd. Lüsterne Blicke auf ihren Ausschnitt werfend, umkreiste er sie, kam näher und strich mit dem Finger über die Spitze, die ihr Dekolleté einfasste.
Sylvie schlug ihm auf die Hand und wich einen Schritt zurück, worauf er sie packte und ihr den Arm umdrehte.
„Das würde ich an deiner Stelle lassen, meine Liebe, denn ich halte deine Zukunft in meinen Händen. Ich bin deine Rettung, deine einzige Hoffnung auf ein Leben in Anstand.“
„Ein Leben in Anstand?“, höhnte Sylvie. „Mit Ihnen? Sie haben ja überhaupt keine Ahnung, was Anstand ist. Sie sind ...“
Seine Hand legte sich über ihren Mund und brachte sie zum Schweigen.
„Weißt du, wo die Dirnen ihrem Geschäft nachgehen?“ Seine Stimme klang einlullend und stand in krassem Gegensatz zu der brutalen Hand, die ihr Kinn umklammerte. „Am Haymarket, habe ich gedacht, vielleicht auch an den Docks im East End. Ich dachte, ich wüsste gut Bescheid über die Orte, wo man sie finden kann.“ Ihre Augen weiteten sich vor Furcht, und er fuhr lächelnd fort: „Kürzlich habe ich jedoch von einem beiderseitigen Freund von uns erfahren, dass sich die Dirnen auch an der Great North Road herumtreiben. Sie nehmen sich sogar Zimmer im George and Dragon.“
Entsetzt, dass er sie mit diesem Wissen nun völlig in der Hand hatte, wehrte sich Sylvie mit allen Kräften und biss ihm in die Hand.
Hugo zuckte zurück und erhob drohend die Faust gegen sie. Nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht hielt er plötzlich inne, als sei ihm eingefallen, wo er sich befand.
Während er sich das Blut von den Fingern leckte, hielten seine Augen ihren Blick fest. „Ich werde es genießen, dich das bereuen zu lassen“, sagte er in solch ruhigem Ton, als würde er eine unbedeutende Bemerkung über das Wetter äußern.
„Sie haben Schorf an Ihren Fingerknöcheln“, sagte Sylvie mit zittriger Stimme und blickte auf die Hand, die sie beinahe geschlagen hätte. „Ich
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