03 - komplett
Seite gewesen. Rosemary sah zwar noch immer so schön und lebendig aus wie vor sechs Jahren, doch Sir Joshua war sehr verändert. Sein Haar war ergraut und schütter, seine hohe Gestalt hatte die Kraft verloren und machte einen hageren Eindruck unter der eleganten Kleidung.
„Miss Meredith ist eine Freundin von Connor aus seinen alten Armeetagen“, erbarmte sich schließlich seine Frau und drückte Rachel auf fast liebevolle Art die Hand, bevor sie sie losließ. „Miss Meredith und Connor waren einmal verlobt. Aber das ist eine ganze Weile her.“
„Oh.“ Sir Joshua hob wieder sein Monokel ans Auge. „Das tut mir so leid, meine Liebe. Haben Sie inzwischen einen Ehegatten gefunden, Miss Meredith?“
Einen Moment verschlug es Rachel die Sprache. Sie war sich bewusst, dass die Leute in ihrer Nähe lächelten. „Nein, Sir. Ich bin immer noch Miss Meredith.“
Rosemary Davenport tätschelte ihr nur verständnisvoll den Arm. „Ich hoffe, wir haben später die Gelegenheit, miteinander zu plaudern“, sagte sie zu ihr und bezog auch Paul und Lucinda in ihr freundliches Lächeln ein. „Es wäre schön zu erfahren, wie es Ihrer Familie geht, Ihren Eltern und Ihren Schwestern.“
„Danke. Ja, das wäre schön“, erwiderte Rachel, hoffte aber insgeheim, sie würde nicht nach Isabel fragen.
Nach einem letzten Knicks nahm sie Pauls Arm, und während sie mit ihren Freunden weiterging, hörte sie Sir Joshua seine Gattin fragen: „War sie schon immer so hübsch?“
Ein Nicken musste die Antwort gewesen sein, weil er daraufhin fortfuhr: „Warum zum Teufel hat der Junge sie dann nicht geheiratet?“
10. KAPITEL
„Nun, ich kann wirklich nicht sagen, dass ich besonders erfreut war, als mir die Sache mit Windrush zu Ohren kam.“
„In der Tat, ich auch nicht, Mrs. Pemberton“, erwiderte Rachel und beglückwünschte sich dazu, dass sie Ruhe bewahrte. „Ist William mit Ihnen gekommen?“ Sie sah sich hoffnungsvoll im großen Ballsaal, in dem die Gäste dicht gedrängt nebeneinander standen, nach dem Verlobten ihrer Schwester um. Seine sanfte, liebenswürdige Persönlichkeit würde sie aufmuntern, das wusste sie, und im Augenblick fühlte sie sich sehr einsam.
Es herrschte eine recht schwüle Atmosphäre im Raum, sogar die Blumen in den herrlichen Bouquets mit Frühlingsblüten ließen bereits die Köpfe hängen, und durch die Hitze hatte Lucinda sich so ermattet gefühlt, dass ihr Gatte sie auf die Terrasse und an die kühlere Abendluft hinausbegleitet hatte. Rachel war ihnen nicht gefolgt, weil sie sich ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen vorkam und ihnen nicht überallhin nachlaufen wollte. Damit sie sich aber keine Gedanken um sie zu machen brauchten, hatte sie sich freiwillig zu Junes zukünftigem Schwiegervater gesellt.
Alexander Pemberton war ein herzlicher, lustiger Mann und hatte sie mit witzigen Geschichten aus Williams Schultagen amüsiert. Doch dann war Williams Mutter zu ihnen getreten, hatte die Stimmung verdorben und ihren Gatten weggeschickt.
Kaum war weg, bedachte sie sie mit einem berechnenden Blick, der Rachel Böses ahnen ließ.
„William? Hier? Nein. Er ist für einen oder zwei Tage aufs Land gereist, wahrscheinlich in Richtung Hertfordshire“, fügte sie missbilligend hinzu, als könnte sie nicht verstehen, warum ihr Sohn schon so bald die Nähe zu seiner Verlobten suchte. „Ich stelle mir jedoch vor, es wird ihm leidtun, den heutigen Abend verpasst zu haben. Er und der Earl sind recht gute Freunde geworden.“
Mrs. Pembertons Blick heftete sich fasziniert auf etwas zu ihrer Linken, sodass Rachel den Kopf wandte und eine Gruppe gut gelaunter Herren bemerkte, die nur wenige Meter von ihnen entfernt standen. Alle machten einen eleganten, vornehmen Eindruck, doch ein Mann von eher kleiner Statur bildete den wahren Mittelpunkt: der Duke of Wellington. Rachel fand, dass er aus der Nähe eher eine Enttäuschung darstellte. Er war nicht groß, hatte eine auffällige Hakennase und ein bellendes Lachen, das jede Konversation in unmittelbarer Nähe übertönte.
Dennoch besaß er eine Ausstrahlung, die den anderen fehlte. Viele Gentlemen warteten in der Nähe darauf, ein Wort an ihn richten oder sich gar zu ihm gesellen zu dürfen. Sogar die Damen fächerten sich verspielt Luft zu, wendeten sich einmal so, einmal anders, als versuchten sie, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. In ihren schillernden Abendroben waren sie wie bunte Motten, die unwiderstehlich vom Licht angezogen wurden, aber
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